Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
Vom Netzwerk:
Regeln das Planetenbahnsystem der Elektronen um den Kern zu retten, bleiben allerdings erfolglos. Die aus Heisenbergs Bemühungen hervorgehende Arbeit nimmt Born im Mai 1924 als Habilitationsschrift an.
    Selbstverständlich wollen Max Born und sein Assistent Heisenberg in Göttingen nichts Geringeres als eine neue Atomtheorie begründen. Derselbe Ehrgeiz treibt Niels Bohr und seinen Assistenten Hendrik Kramers in Kopenhagen an. Bohr selbst hat längst Abschied von der plastischen, aber inzwischen unhaltbaren Vorstellung des Atoms als miniaturisiertem Sonnensystem genommen. Auf der Suche nach einer Reform der Atomtheorie gibt Bohr sich zwischenzeitlich nebulöser und mysteriöser denn je. Zugunsten seiner neuesten These stellt er sogar das geheiligte Prinzip der Energieerhaltung und das Gesetz von Ursache und Wirkung in Frage. Und wieder einmal sind es die für Bohr typischen unergründlichen Annahmen, die er weder ableiten noch mathematisch begründen kann. Einstein findet die Thesen seines Freundes Bohr «degoutant». In einem Brief an Max Born droht er gar mit seinem kompletten Rückzug aus dem Metier. Denn sollten sich die Arbeiten an neuen Quantenregeln weiter in diese merkwürdige Richtung entwickeln, «dann möchte ich lieber Schuster oder gar Angestellter in einer Spielbank sein als Physiker» [Lin:131].
    Ebenfalls im falschen Film wähnt sich Wolfgang Pauli, ein weiterer Meisterschüler Sommerfelds. «Die Physik ist momentan wieder einmal sehr verfahren, für mich ist sie jedenfalls viel zu schwierig», kokettiert der scharfzüngige Professor im Mai 1925, «und ich wollte, ich wäre Filmkomiker … und hätte nie etwas von Physik gehört» [Pau 1 :216]. Das glaubt ihm David Hilbert aufs Wort. Der berühmte Mathematiker lässt aus Göttingen verlauten, die Physik sei inzwischen in der Tat viel zu schwierig für die Physiker geworden. Nur ein Mathematiker könne da noch Ordnung schaffen. Hilbert selbst hält sich allerdings mit Lösungsvorschlägen vornehm zurück.
    Ein halbes Jahr später tritt Heisenberg als Rockefeller-Stipendiat endlich den lang ersehnten Studienaufenthalt in Bohrs Kopenhagener Institut an und lernt vom ersten Tag an fleißig Dänisch und Englisch. In den kommenden acht Monaten arbeitet er regelmäßig mit Bohr und dessen persönlichem Assistenten Hendrik Kramers zusammen, der obendrein vorzüglich Cello und Klavier spielt. Gemeinsam feilen sie an der Theorie, die Einstein und Pauli dazu inspiriert hat, kokett einen vermeintlich weniger aufreibenden Broterwerb ins Auge zu fassen. Heisenberg bleibt standhaft in seiner Ablehnung der Thesen und lernt, seine eigenwilligen Gedanken gegen die Dominanz Bohrs und seines Assistenten zu verteidigen. Eine bestimmte Komponente der verspotteten Theorie hat es ihm allerdings angetan. Es ist das Bild vom Atom als einer Ansammlung von Schwingungen, die auf die beobachtbaren Lichtspiele der Spektrallinien abgestimmt sind. Mit der bekannten Mathematik dieser Schwingungen lassen sich – wie Kramers eindrucksvoll beweist – die Wechselwirkungen eines Atoms mit Licht jeder beliebigen Frequenz vollständig berechnen [Lin:133].
    Also könnte er doch, denkt Heisenberg, die nicht direkt beobachtbaren Bewegungen der Elektronen ausdrücklich als Überlagerung atomarer Schwingungen betrachten. Das wäre eine brauchbare Alternative zu der gängigen Vorstellung von Elektronenbahnen, zumal er selbst sich inzwischen nicht mehr an den Spekulationen über das Planetenumlaufmodell beteiligt.
    Der schicksalhafte Spaziergang über den Göttinger Hainberg findet mit einer mehrtägigen Fußwanderung durch Dänemark seine zünftige Fortsetzung. Hier ist Heisenberg in seinem Element, zumal der ehemalige Fußballspieler Bohr sportlichen Ehrgeiz entwickelt, als Heisenberg ihn am Strand herausfordert, wer am weitesten flache Kieselsteine übers Meer hüpfen lassen und schwimmende Balken treffen kann. Als der junge Deutsche auf einer einsamen Landstraße voller Übermut einen Stein aufhebt, ihn gegen eine sehr weit entfernte Telegraphenstange schleudert und sie «entgegen aller Wahrscheinlichkeit» tatsächlich trifft, wird Bohr augenblicklich ernst: «Auf ein so weit entferntes Objekt zu zielen und dann zu treffen, das ist natürlich unmöglich. Aber wenn man die Unverschämtheit besitzt, ohne zu zielen, in die Richtung zu werfen und sich dabei die absurde Möglichkeit vorzustellen, dass man auch treffen könnte, ja dann kann es vielleicht doch geschehen. Die Vorstellung … mag

Weitere Kostenlose Bücher