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Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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wurde: ins menschliche Gehirn. Vier Jahre später nehmen Planck und von Laue Szilards Arbeit als Habilitationsschrift an.
    Und offenbar sieht Szilard im leidenschaftlichen Austausch von Ideen auch tatsächlich den Sinn seiner Existenz. Dieser rastlose Geist ist ständig unterwegs auf der Suche nach neuen Gesprächspartnern. Auch in seinen Wohnungen hält er es nie lange aus. Zwölfmal zieht er in den zwölf Jahren seines Lebens in Berlin um. Die An- und Abmeldebestätigungen klebt er jeweils auf die Innenseiten seiner Kofferdeckel. Eine alte Freundin aus Budapest erschrickt, wie perfekt er seinen Laufschritt zwischen Cafés, Ateliers, Galerien und Instituten bereits an den nervösen Puls der deutschen Metropole angepasst hat. Der Maler Emil Nolde, der ebenfalls aus Ungarn stammende Schriftsteller Arthur Koestler und der Philosoph Manès Sperber gehören zu seinem Freundeskreis.
    In den Instituten und Labors hat er sich – so scheint’s – beliebt gemacht mit seiner fast kindlichen Offenherzigkeit und seinem notorischen Engagement. So spaziert Szilard regelmäßig durch das Kaiser-Wilhelm-Institut für Faserchemie, um mit den Forschern zu plaudern, sich nach den neuesten Entwicklungen zu erkundigen und um dann aus dem Stegreif Experimente vorzuschlagen oder weiterführende Ratschläge zu erteilen. Mancher Institutsleiter mag insgeheim beleidigt sein, wenn Szilard ihm unverblümt erklärt, er verschwende mit seiner Methode nur Zeit und Geld, und er solle es doch so machen, wie Szilard es ihm beim letzten Besuch schon empfohlen habe. Andere sind misstrauisch, wittern Werkspionage oder finden Szilards Vorschläge anmaßend und arrogant. Doch die geistreiche Nervensäge ist ein gerngesehener Gast in den Berliner Forschungsstätten und wird bald mit den Worten «Ah, da kommt ja der Herr Generaldirektor!» [Lan:77] begrüßt – was Szilard jedes Mal einen diebischen Spaß bereitet.
    Eine ganz besondere Freundschaft bahnt sich schließlich zwischen ihm und Albert Einstein an. Die Beziehung beginnt Ende 1920 in Laues Physik-Kolloquium, in dem auch Einstein mitdiskutiert. Mit jugendlichem Überschwang und gesundem Selbstbewusstsein fällt es dem Kommunikationsgenie Szilard nicht schwer, den doppelt so alten arrivierten Physiker regelmäßig in persönliche Gespräche zu verwickeln. Bald ist er ein gerngesehener Gast in Einsteins Wohnung in der Haberlandstraße, wo Ehefrau Elsa Tee und Gebäck serviert. Szilards brillante Dissertation gewinnt Einsteins Respekt und trägt zur Vertiefung der Freundschaft bei. Einstein gefällt es, sich der spielerischen Intelligenz des jungen Kollegen zu stellen. Und beide haben den gleichen Sinn für Humor.
    Als Privatdozent an der Friedrich-Wilhelm-Universität Unter den Linden hält Leo Szilard Seminare über «Neue Vorstellungen in der Theoretischen Physik» und trifft sich noch immer regelmäßig mit Einstein «zum Grübeln». Im Frühjahr 1927 haben sie gemeinsam ihre elektromagnetische Pumpe für Kühlschränke entwickelt. Die Elektrobranche gehört in diesen Jahren zu den führenden Wirtschaftszweigen in Europas größter Industriestadt. Weltweit führende Elektrokonzerne wie die AEG und Siemens haben in Berlin ihren Stammsitz und stehen in enger Verbindung mit den Kaiser-Wilhelm-Instituten. Und so bleibt dem Management der AEG nicht verborgen, dass Einstein und sein weniger prominenter Kollege ausgerechnet im Revier der Elektrotechnik dilettieren. Man wittert ein gutes Geschäft mit dem Weltstar und macht den Bastlern ein Angebot.
    Einstein will seinen Namen nicht für einen Kühlschrank hergeben. Aber Leo Szilard unterschreibt umso freudiger einen Beratervertrag mit der AEG, um die bescheidenen Einnahmen aus seinen Vorlesungsgebühren ein wenig aufzubessern. Überhaupt scheint er am meisten von der Zusammenarbeit mit dem berühmten Kollegen zu profitieren. Denn Einstein überlässt ihm großzügig den Löwenanteil an den Erlösen aus den gemeinsamen Patenten. In den Forschungslabors der AEG macht die von den beiden Tüftlern entwickelte Pumpe allerdings einen solchen Höllenlärm, dass das «Einstein-Szilard-Haushaltskühlaggregat» das Werksgelände nie verlässt. Szilard erzählt, ihr unerträgliches Jaulen habe ihn an die Geschichten vom Geheul der banshees erinnert. Wer den Schrei dieser sagenhaften Todesfeen hört, muss – so der Volksglaube – bald darauf sterben.
     
    Zur selben Zeit, im Frühjahr 1927, promoviert ein junger, vielversprechender Amerikaner bei Max Born in

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