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Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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er es, früh genug nach England zurückzukehren. Zusammen mit mehr als 4000 Landsleuten, die das Pech haben, als britische Staatsbürger zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, wird er für die Dauer des Kriegs in ein Internierungslager nach Ruhleben gebracht, einem Vorort Berlins. Jeglicher Privatsphäre beraubt, hausen die «zivilen Kriegsgefangenen» in überfüllten Pferdeställen am Rand einer Trabrennbahn.
    Insgesamt mehr als hundert Lehrer – Künstler, Philosophen, Physiker, Mathematiker und Literaten – gründen eine Baracken-Universität und unterrichten, auch unter freiem Himmel, ihre Mitgefangenen. Sie führen Shakespeare-Stücke auf, lesen die deutschen Klassiker und diskutieren unter professioneller Anleitung über Schopenhauer und Nietzsche. Eine Hand voll Profigolfer versucht, auf dem Grün im Rennbahnoval in Form zu bleiben, und weiht Interessierte in die Geheimnisse des Sports ein. James Chadwick wiederum hält in einem Pferdestall regelmäßig Kurse für Elektromagnetismus und Radioaktivität ab [Ruh]. Apparate und Materialien hat Lise Meitner für ihn organisiert. Da es in deutschen Apotheken radioaktive Zahnpasta zu kaufen gibt, überredet er die Wächter, sie ihm für seine Experimente zu besorgen. Abgemagert und gesundheitlich ruiniert, kehrt er 1918 nach Manchester zurück und wird von Rutherford wieder herzlich aufgenommen.
     
    Im Pariser Institut du Radium von Marie Curie treffen laufend große Mengen leerer Ampullen ein. Sie sind mit Radongas gefüllt gewesen, das noch immer zur Krebstherapie benutzt wird. Wegen der kurzen Halbwertszeit des Radons sind die Ampullen schon wenige Tage nach der Abfüllung nicht mehr für den Therapieeinsatz geeignet. Doch das im Glas zurückbleibende Radonzerfallsprodukt Polonium 210 ist für die Kernforschung eine begehrte Strahlenquelle. Da die Gammastrahlung beim Polonium um den Faktor 100   000 geringer ist als beim Radium, eignet sich das äußerst seltene Element hervorragend als Alphastrahlenquelle zum Beschuss von Stoffen, deren Gammastrahlung untersucht werden soll. So lassen sich verschmierte Messungen von Quelle und Ziel vermeiden. Ärzte aus aller Welt schicken ihre poloniumhaltigen Ampullen als eine Art Tribut an Marie Curie, der Entdeckerin des Poloniums. Zu Beginn der 1930er Jahre verfügt Irène Joliot-Curie, die in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten ist, deshalb über den größten Poloniumbestand der Welt [Rho:153].
    Marie Curie arbeitet auch mit 63 Jahren noch zwölf bis vierzehn Stunden am Tag im Labor. Die zweimalige Nobelpreisträgerin klagt über ständige Müdigkeit, kämpft gegen den grauen Star auf beiden Augen an und ist machtlos gegen das Summen in den Ohren. Ihre verstrahlten Hände schmerzen im trockenen wie im eitrigen Zustand. Regelmäßig hockt sie noch nach Mitternacht auf dem Fußboden, Bücher, Journale und Blätter mit Diagrammen großzügig um sich herum ausgebreitet. Von einem Schreibtisch fühlt sie sich eingeschränkt. Auf ihren Knien liegt ein Notizbuch, und wenn sie rechnet, murmelt sie die Zahlen auf Polnisch vor sich hin.
    1931 wiederholen die Joliots ein Experiment der deutschen Physiker Walter Bothe und Herbert Becker. Die hatten im Jahr zuvor einige leichte Elemente wie Magnesium und Beryllium mit Alphastrahlen aus einer Poloniumquelle beschossen, um deren Gammastrahlung zu studieren. Dabei waren sie zu dem verwirrenden Ergebnis gelangt, dass die in Berylliumkernen erzeugte Strahlung wesentlich stärker war als ihre Poloniumquelle. Bothe und Becker deuteten dieses unerwartete Phänomen zwar als Gammastrahlung, aber ein Restzweifel blieb bestehen. Nun wollen die Joliots das Rätsel lösen. Aus ihrem Poloniumschatz haben sie inzwischen die stärkste Alphastrahlenkanone der Welt geschmiedet. Die Franzosen bestätigen die Entdeckung der Deutschen, gehen aber noch einen Schritt über die Versuchsanordnung von Bothe und Becker hinaus. Sie stellen hinter das Poloniumgeschütz und die Berylliumzielscheibe noch andere Materialien wie zum Beispiel Wachs. So finden sie heraus, dass die geheimnisvolle «Berylliumstrahlung» Protonen aus Paraffin herausschlägt, die mit einer enormen, unerklärlichen Geschwindigkeit fortgeschleudert werden. Aber aus Paris kommt keine neue Interpretation der Experimente. Die Joliots staunen über das Kuriosum, sind jedoch letztlich ratlos. Deshalb schließen sie sich der Meinung Bothes und Beckers an und machen die Gammastrahlung aus den Berylliumkernen für das Herauslösen der

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