Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe
Forschungsinstituts selbst: Max Planck.
Nachweislich hat Leo Szilard 1928 in Berlin als Erster ein Patent für den Teilchenbeschleuniger angemeldet. Allerdings hat er nie die Anstrengung unternommen, die Maschine selbst zu bauen. Auch das Prinzip des Zyklotrons lässt er sich 1929, ein Jahr vor den ersten Entwürfen von Lawrence, patentieren. Aber während es sich der leidenschaftliche Denker Leo Szilard zur Gewohnheit gemacht hat, täglich zwischen neun und zwölf Uhr in die Badewanne zu steigen, «um mich einzuweichen» [Szi:19] und seine physikalischen Einfälle vom Vortag in Erwartung neuer Geistesblitze ganz entspannt noch einmal zu durchdenken, steigt der Macher Ernest Lawrence in die Niederungen von Versuch und Irrtum hinab und baut die Maschine tatsächlich.
Der Wiener Otto Mandl, ein Freund von Leo Szilard, empfiehlt diesem die Lektüre von H. G. Wells’ Romans «Befreite Welt» ( The World Set Free ). Wells hat diese Vision einer von Atombomben zerstörten Welt schon 1914 geschrieben und sie dem Chemiker Frederick Soddy gewidmet, der sowohl das nützliche als auch das zerstörerische Potenzial des Uranzerfalls erkannt hatte. Er lieferte Wells die wissenschaftliche Grundlage für dessen Zukunftsgeschichte, in der er sich die Konsequenzen vorstellte, die mit einem industriellen Zugang zur Atomenergie verbunden sein könnten. England, Frankreich und die USA kämpfen in einem Atomkrieg vereint gegen Deutschland. Dabei werden die größten Städte der Welt durch Atombomben zerstört.
Am 31. Juli 1932 wird die NSDAP stärkste Partei im Deutschen Reichstag. Ende Oktober packt der ungarische Jude und deutsche Staatsbürger Leo Szilard seine Habseligkeiten zusammen, gibt seine Wohnung in Wilmersdorf auf und quartiert sich im Gästezimmer des «Harnack-Hauses» in Dahlem ein, das zur Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft gehört. Szilard bereitet sich darauf vor, Deutschland von heute auf morgen verlassen zu müssen: «Ich hatte im wahrsten Sinne des Wortes nur zwei gepackte Koffer dort stehen. Der Schlüssel steckte, und ich musste ihn nur noch umdrehen und verschwinden, wenn es allzu schlimm werden sollte», schreibt Szilard [Szi:13].
In den ersten Dezembertagen desselben Jahres sitzen auch Elsa und Albert Einstein, nicht weit vom Harnack-Haus entfernt, auf sechs gepackten Koffern. Sie warten auf ihre Einreisevisa für die USA. Auf dem Campus der Eliteuniversität Princeton in der Nähe von New York ist ein Institute for Advanced Study gegründet worden, eine privat finanzierte Denkfabrik, in der die besten Wissenschaftler der Welt ohne Lehrverpflichtung ihren Forschungen nachgehen können. Und zum Auftakt wollen die Stifter mit Albert Einstein die Messlatte möglichst hoch legen. In seinen Berliner Jahren hat Einstein zu seiner jüdischen Identität gefunden. Als sich Anfang 1920 Einsteins Ruhm auch außerhalb der Physikseminare verbreitet, reagieren antisemitische Gruppen mit Störungen seiner Vorlesungen. Und es sind nicht nur pöbelnde Studenten, sondern auch hochrangige Kollegen, die Einstein das Leben schwermachen. Physik-Nobelpreisträger Philipp Lenard erweist sich als sein erbittertster persönlicher Gegner. Er gründet sogar einen «Arbeitskreis deutscher Naturforscher zur Erhaltung reiner Wissenschaft». Wobei für die Mitglieder Reinheit gleichbedeutend ist mit Deutschsein. Sie lehnen Einsteins Relativitätstheorie als «jüdische Physik … unbewiesene Hypothesen … und logisch unhaltbare Fiktion» [Cas:173] ab. Es gab sogar öffentliche Morddrohungen gegen Einstein, sodass er sich im Sommer 1922, als Walter Rathenau, der deutsche Außenminister mit jüdischen Wurzeln, ermordet wurde, monatelang ganz aus der Öffentlichkeit zurückzog.
Als nun Ende 1932 das Ehepaar Einstein im amerikanischen Konsulat in Berlin seine Visa beantragt, kommt es zum Eklat. Ein Konsularbeamter stellt Einstein die unvermeidliche Frage nach seiner Sympathie für Kommunisten und Anarchisten. Empört weigert sich Einstein, diese Frage zu beantworten, bezeichnet sie als «inquisitorisch», wehrt sich dagegen, ein «Verdächtiger» zu sein, will unter solch erniedrigenden Umständen lieber gleich auf die Einreise verzichten und verlässt wütend das Konsulat. Am nächsten Tag sind die Visa ohne weitere Nachfragen ausgestellt. Am 10. Dezember 1932 steigen Elsa und Albert Einstein am Lehrter Bahnhof in den Zug nach Antwerpen, wo sie sich für die Überfahrt nach New York einschiffen. Sie ahnen noch nicht, dass sie Berlin und
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