Ketzer
als erkläre das alles.
Während der Junge in der Küche verschwand, durchquerte die Frau den Raum, beugte sich über den Tisch am anderen Ende und flüsterte dem ohrlosen Mann etwas zu, woraufhin dieser den Kopf neigte und verstehend nickte, ohne den Blick von mir abzuwenden.
Humphrey kehrte kurz darauf mit einer mit einem grauen dünnen Brei gefüllten Schale zurück, die er halb über dem Tisch verschüttete, sowie einem hölzernen Becher voll Bier, auf dem sich ein Fettfilm gebildet hatte, stellte beides vor mich hin und blieb eindringlich lächelnd neben dem Tisch stehen.
»Danke«, sagte ich, und als er sich immer noch nicht von der Stelle rührte, überlegte ich, ob er ein Trinkgeld erwartete.
»Kommt Ihr aus Italien?«, fragte er mit piepsiger Stimme, bückte sich, sodass er sich mit mir auf Augenhöhe befand, und nahm mich mit schief gelegtem Kopf in Augenschein.
»Ganz recht.« Ich tauchte ein Stück Brot in die Schale, deren lauwarmer Inhalt bereits zu gerinnen begann.
»Dann sagt etwas auf Italienisch«, bat Humphrey. Es klang wie eine Herausforderung, ihn zu beeindrucken; in einem solchen Ton mochte ein Kind mit einem Gaukler auf der Straße sprechen. Ich dachte ein Weilchen nach.
»Non darei questo cibo nemmeno al mio cane «, sagte ich mit einem freundlichen Lächeln, hielt meine Stimme jedoch vorsichtshalber gesenkt. Seine Augen leuchteten so verwundert auf, als hätte ich eine Münze aus der Luft gegriffen, und ein Strahlen erhellte sein breites Gesicht.
»Was heißt das?«
»Oh – das lässt sich nicht wörtlich übersetzen. Ich habe euer vorzügliches Essen gelobt.«
Humphrey beugte sich noch näher zu mir, sodass sein Atem mein Ohr streifte. Er verbreitete einen überwältigenden Geruch nach Zwiebeln.
»Ich kann kein Italienisch«, flüsterte er mir verschwörerisch zu, »aber Latein.«
»Das ist gut«, erwiderte ich nachsichtig, mit einem Schwall von Unsinn rechnend, denn es erschien mir mehr als unwahrscheinlich, dass ein einfältiger Schankkellner Latein beherrschte. Doch er nickte nachdrücklich. Sein Gesicht war todernst.
»Ora pro nobis «, zischte er mir ins Ohr, dann wich er zurück, um mich erwartungsvoll anzusehen. Ganz offensichtlich wollte er ein Lob einheimsen.
Ich spürte, wie meine Augen groß wurden und hatte Mühe, eine unbeteiligte Miene zu wahren. Langsam ging in meinem Kopf ein kleines Licht auf und begann einige der dort im Dunkeln umherwirbelnden Fragen zu erhellen.
»Ausgezeichnet, Humphrey! Kannst du noch mehr?«, flüsterte ich zurück. Er beugte sich wieder strahlend vor, doch in diesem Moment wurde er von der schrillen Stimme der Wirtin unterbrochen.
»Humphrey Pritchard! Hab ich dir nicht gesagt, du sollst den armen Gentleman in Ruhe lassen? Haste nix zu tun? Er möchte sich den Unsinn nicht anhören, den du von dir gibst – lass ihn in Frieden seine Mahlzeit genießen!« Nach dieser durch nichts gerechtfertigten optimistischen Bemerkung bezüglich des Essens tauchte sie unvermittelt neben Humphrey auf, versetzte ihm einen leichten Schlag gegen den Hinterkopf und stieß ihn in Richtung Küche, obwohl er doppelt so groß war wie sie. Humphrey trollte sich mit schuldbewusstem Gesicht und kläglich gekrümmtem Körper davon.
Die Wirtin wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und zwang sich zu einem unaufrichtigen Lächeln.
»Er hat doch hoffentlich nichts … äh … Kränkendes gesagt?«, fragte sie, doch ich meinte, einen Anflug von Ängstlichkeit aus ihrer Stimme herauszuhören.
»Ganz und gar nicht«, erwiderte ich. »Er hat mich nur gefragt, ob ich mit dem Essen zufrieden bin.«
Ihre Augen verengten sich. »Und, seid Ihr das?«
»Mmm. Danke.«
Sie sah mich kurz an, als wollte sie noch etwas anbringen, dann nickte sie knapp und verschwand in der Küche, in der bald darauf dumpf Stimmen zu hören waren. Sie schalt den armen Humphrey aus, und er versuchte, schwach zu protestieren.
Das Mahl war für mich eine allseits unangenehme Angelegenheit. Ich überwand mich, ein paar Bissen von dem unappetitlichen Brei hinunterzuwürgen, dabei waren mir die ganze Zeit lang die Blicke des ohrlosen Mannes und seiner Kumpane in der Ecke gegenwärtig. Halb hoffte ich, er würde zu mir herüberkommen, mich zur Rede stellen und vielleicht sogar erklären, warum er mich so interessiert beobachtete, er blieb jedoch sitzen und lehnte sich nur gelegentlich nach vorne, um einem seiner Gefährten etwas zuzumurmeln.
Ich selbst hielt den Blick auf meine Schale
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