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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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erwiderte den Gruß, und ich duckte mich geistesgegenwärtig in einen Hauseingang, als er gleichfalls vor dem Laden Halt machte, die Kappe abnahm und sich so verstohlen umblickte, als fürchte er, gesehen zu werden. Erst jetzt erkannte ich ihn – es war Doktor William Bernard. Der ohrlose Mann löste wortlos einen Schlüsselring von seinem Gürtel und schloss den schmuddeligen Laden auf. Ich zog mich noch tiefer in den Hauseingang zurück, denn er überprüfte mit einem letzten Blick die Straße hinauf und hinunter, bevor er Doktor Bernard die Tür aufhielt und ihm in einen niedrigen Gang folgte. Die Tür fiel zu, und ich hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Über dem Laden hing kein Schild, doch als ich mich aus dem Hauseingang löste und mich so nahe heranschlich, wie ich es wagte – obwohl ich es an sich für unwahrscheinlich
hielt, dass mich jemand durch die schmutzverkrusteten Scheiben des einen Fensters hätte sehen können –, las ich über der Tür, gemalt in kleinen, aber kunstvollen Buchstaben, die Worte: R. Jenkes, Buchbinder und Buchhändler.
    Hastig wandte ich mich ab – und prallte auch schon mit einem hochgewachsenen Mann zusammen, der sich den Hut tief ins Gesicht gezogen hatte. Er, den ich beinahe zu Fall gebracht hatte, schien wie aus dem Nichts aufgetaucht zu sein.
    »Scusi «, stieß ich unwillkürlich hervor, und er murmelte gleichfalls eine Entschuldigung und huschte eilig weiter. Der Anblick seines sich entfernenden Rückens flößte mir Unbehagen ein; ich fragte mich, warum ich ihn nicht längst vorher auf der Straße bemerkt hatte. Konnte er aus einem der Läden gekommen sein? Das hielt ich für zweifelhaft, sie waren alle geschlossen, außerdem erinnerte ich mich daran, dass ich, kurz bevor ich in die Catte Street eingebogen war, das Gefühl gehabt hatte, verfolgt zu werden. Der Mann verschwand in einer Seitengasse, ohne sich noch einmal umzudrehen. Von seinem Gesicht hatte ich fast nichts erkennen können, mir war nur sein dunkler Bart aufgefallen. Ob einer der Gefährten des ohrlosen Mannes im Catherine Wheel einen dunklen Bart getragen hatte, konnte ich mich nicht entsinnen; ich hatte sie mir nicht genauer angesehen, außerdem hatten sie ja mit dem Rücken zu mir gesessen. Warum hätte mir jemand von der Schänke aus folgen sollen, überlegte ich, wenn nicht meine bloße Anwesenheit dort Verdacht erregt hatte oder ich es mir allzu deutlich hatte anmerken lassen, dass ich meinerseits den Ohrlosen verfolgen wollte?
    Auf meinem Weg zurück zum Lincoln ging ich langsam durch die Catte Street und auf die Stadtmauer zu. Meine Gedanken überschlugen sich. Wer war dieser ohrlose Mann, der sowohl Bekannte unter dem Gesindel, das sich in Schänken wie dem Catherine Wheel herumtrieb, als auch unter den Doktoren des Lincoln College hatte? Angenommen, es handelte sich bei ihm um den Buchbinder Jenkes selbst, könnte das seine Kontakte zu
den Akademikern erklären, es erschien mir aber merkwürdig, dass Bernard sich gerade einen Sonntag ausgesucht hätte, um mit ihm Geschäfte zu tätigen. Tatsächlich hatte der alte Doktor den Eindruck erweckt, als hoffe er, nicht gesehen zu werden. Und die naheliegendste Erklärung für all das lautete, dass das Catherine Wheel wohl ein bekannter Treffpunkt für Rekusanten war. Bernard sympathisierte, wie ich selbst bemerkt hatte, mit den Anhängern des alten Glaubens, und der eine Mann, der das Bindeglied zwischen beidem darstellte, handelte mit Büchern. Läge da nicht die Vermutung auf der Hand, dass ich zufällig auf eine Spur gestoßen war, die mich zu jenem geheimen Handel mit verbotenen Büchern führte, über den sich Walsingham so erbittert geäußert hatte? Nur dass von Zufall keine Rede sein könnte, da jemand auf äußerst rätselhafte Weise nachgeholfen hatte – jemand, der auch dafür gesorgt hatte, dass ich eine Verbindung zu Roger Mercers Tod herstellte. Nun galt es für mich, diese Informationsquelle ausfindig zu machen und herauszufinden, warum sie es nicht wagte, sich zu erkennen zu geben.
    Ich passierte die Divinity School und bog links in die St. Mildred’s Lane ein. Der kompakte Torhausturm des Lincoln College ragte zu meiner Linken auf und hob sich blass vom Himmel ab. Als ich durchs Haupttor schritt, hörte ich ein Klopfen; es kam vom Fenster des Pförtnerhauses, und ich sah hinter der Scheibe, dass Cobbett mich zu sich winkte.
    »’n Bursche hat gerade nach Euch gefragt, Doktor Bruno.« Er schnaufte so stark, als sei

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