Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
Vom Netzwerk:
Namen nicht in Verbindung mit der Stätte eines so ungeheuerlichen Verbrechens genannt wissen wollen; sie werden uns ihre Unterstützung entziehen und ihre Gelder anderen Lehranstalten zukommen lassen. Es ist wahrlich Teufelswerk! Christliche Märtyrer auf eine so groteske Weise zu verspotten …« Er vergrub das Gesicht in den Händen. Einen Augenblick
dachte ich, er würde schluchzen, aber er versuchte nur, seine keuchenden Atemzüge zu beruhigen.
    »Auf jeden Fall ist dies das Werk von jemandem, der mit einem Bogen umzugehen weiß«, stellte ich sachlich fest. »Obwohl vermutlich sogar ich aus dieser Entfernung ein an die Wand gebundenes und bereits totes Ziel treffen würde, daher müssen wir nicht zwingend nach einem herausragenden Bogenschützen suchen. Wer auch immer hinter dieser Sache steckt, er hat den Mord sehr sorgfältig inszeniert, um sicherzugehen, dass wir ihn auch wirklich mit dem ersten in Verbindung bringen.«
    »Er wollte sichergehen, dass Ihr diesen Zusammenhang erkennt«, warf der Rektor ein. »Foxe, die nachgeahmten Märtyrertode – alles Eure Theorie, Doktor Bruno.«
    »Darauf hat mich ein Unbekannter gebracht«, erinnerte ich ihn.
    »Ja, begreift Ihr denn nicht? Dieser aus Foxes Buch herausgeschnittene Papierstreifen, den Ihr mir gezeigt habt, und das hier…«, er deutete wild gestikulierend auf den Leichnam in der Ecke, »… das gilt alles Euch. Jemand wusste, dass Ihr die Zusammenhänge verstehen würdet.« Er starrte mich so vorwurfsvoll an, als wäre meine Theorie schuld an Coverdales furchtbarem Schicksal.
    »Aber der Mörder konnte nicht wissen, dass ich just in dem Moment zugegen sein würde, wo die Leiche gefunden wird«, widersprach ich. »Aber dennoch, er scheint diesmal ganz sichergehen zu wollen, dass Ihr die Anspielung auf die Märtyrertode erkennt und sie in Zusammenhang mit Rogers Tod bringt.«
    »Demnach muss es sich um denselben Täter handeln.« Der Rektor blickte bekümmert zu mir auf.
    »Norris besitzt ein Rasiermesser«, mischte sich Slythurst plötzlich ein. »Er rasiert sich jeden Tag.«
    Ich rieb mir über meinen eigenen Bart, während ich überlegte. »Ein Rasiermesser und einen Langbogen. Jemand versucht
den Verdacht auf Norris zu lenken, daran besteht kein Zweifel.«
    »Ihr haltet ihn nicht für den Täter?« Der Rektor sah mich noch immer an wie ein trostbedürftiges Kind.
    »Ich weiß zwar nicht viel über Norris, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er einen so ungewöhnlichen Mord begeht und dann eine Waffe zurücklässt, die auf ihn als Schuldigen hindeutet. Außerdem, was sollte er für ein Motiv haben?«
    »James hasste die Commoners, er wetterte ständig gegen sie. Das habt Ihr ja beim Abendessen des Rektors selbst gehört«, erklärte Slythurst.
    »Das dürfte kaum ein Grund sein, einen von ihnen zu töten«, gab ich zurück. »Andererseits könnte jemand, der die Commoners zutiefst verabscheut, auf den Gedanken kommen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, wie ihr Engländer zu sagen pflegt. Er schafft sich Doktor Coverdale vom Hals – was ihn dazu bewogen hat, wissen wir noch nicht – und hinterlässt zugleich Beweise, die sich gegen Gabriel Norris richten. Auf der Treppe waren Fußabdrücke; wenn wir mehr Licht hätten, könnte ich sie untersuchen, aber ich fürchte, draußen hat der Regen alle Spuren verwischt.«
    »Walter, würdet Ihr bitte zu Cobbett hinuntergehen und Euch eine Laterne geben lassen? Doktor Bruno hat recht, wir müssen den Raum genau untersuchen, bevor wir irgendwelche Schlüsse ziehen, und dafür ist es hier drinnen zu dunkel. Und holt auch eine Schüssel mit Wasser«, fügte der Rektor hinzu. »Wir müssen dieses Zeichen von der Wand abwaschen, bevor wir den Coroner rufen.«
    Slythursts Augen wurden groß. »Aber dieses Symbol zählt doch zu den Beweisen, Rektor. Es könnte von Bedeutung sein. Wir sollten nichts verändern …«
    »Ihr habt meine Anweisungen gehört, Walter. Jetzt tut bitte, was ich Euch gesagt habe.«
    Slythurst blickte von mir zum Rektor. Die Wut darüber, wie ein Diener herumkommandiert zu werden, war ihm deutlich
anzumerken, aber da ihm kein Gegenargument einfiel, machte er auf dem Absatz kehrt, und kurz darauf hörten wir ihn die Treppe hinunterpoltern.
    »Doktor Bruno?« Rektor Underhill zog sich mühsam auf die Füße und packte mich an den Handgelenken. Sein pompöses Auftreten war von ihm abgefallen, er wirkte alt und verängstigt. Unwillkürlich empfand ich Mitleid mit ihm, denn dem

Weitere Kostenlose Bücher