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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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lehnte. Es sah aus, als habe der Mörder ihn sorgfältig und in aller Ruhe dort platziert, nachdem er sein Werk vollendet hatte.
    »Das ist doch Gabriel Norris’ Bogen«, krächzte der Rektor ungläubig. »Ich habe ihm gestern Morgen, nachdem er den Hund erschossen hatte, gesagt, er solle ihn hier einschließen lassen.«
    »Dann haben wir ja unseren Mörder.« Slythurst bekräftigte seine Worte mit einem Nicken.
    Ich trat zum Leichnam und kauerte mich davor nieder, um mir sein Gesicht von unten her genau ansehen zu können.
    »Die Pfeile haben ihn nicht getötet«, verkündete ich.
    »Nein? Glaubt Ihr, er ist am Fieber gestorben?« Slythurst war bemerkenswert rasch in seine alte Verhaltensweise zurückgefallen; ich spürte, wie sehr ihn meine Gegenwart in diesem Raum störte, den er als seine persönliche Domäne betrachtete.
    »Still, Walter«, befahl Underhill scharf, und dieses eine Mal war ich ihm dankbar dafür. »Fahrt fort, Doktor Bruno.«
    »Ihm wurde die Kehle durchgeschnitten.« Mit zusammengebissenen Zähnen packte ich Coverdales Haar und hob den Kopf an, sodass das schrecklich verzerrte Gesicht sichtbar wurde. Der Rektor gab nun einen kleinen Schrei in sein Taschentuch ab, Slythurst zuckte zusammen und drehte sich weg. Die Augen des
Toten waren halb geschlossen, in seinem Mund steckte ein Knebel, und quer über seinen Hals verlief ein tiefer Schnitt. Die Wunde klaffte auf, als ich den Kopf angehoben hatte, und ich sah, dass dieser Schnitt stümperhaft ausgeführt worden war, obgleich er letztendlich seinen Zweck erfüllt hatte. Überdies war Coverdales Hals mit Kerben und Kratzern übersät, als hätte der Mörder das Messer ein paar Mal angesetzt, ehe er zur Tat schritt, was darauf hindeutete, dass er wenig Erfahrung auf diesem Gebiet hatte.
    »Wer besitzt eine solche Waffe?«, fragte der Rektor mit bebender Stimme. »Sämtlichen Universitätsangehörigen ist es untersagt, innerhalb der Stadtmauern einen Dolch bei sich zu tragen.«
    »Ein Rasiermesser hätte genügt«, warf ich verärgert ein. »Oder sogar ein einfaches Küchenmesser, wenn es scharf genug war.«
    »Aber warum hat man ihn dann hinterher wie einen Keiler mit Pfeilen gespickt?« Slythurst wagte sich einen Schritt näher heran. »Und dieses Gemälde – ist das eine Botschaft?«
    »Der Rektor hat es Euch doch gerade erklärt«, erwiderte ich. »Das Ganze ist eine Inszenierung, eine Parodie des Märtyrertodes des heiligen Sebastian, so wie die Todesart von Roger Mercer den Leiden des heiligen Ignatius nachempfunden war. Ich glaube nicht, dass Ihr das hier als Unfall abtun könnt, Rektor«, fügte ich an Underhill gewandt hinzu, der sich schwer auf eine der Truhen hatte sinken lassen und das Gesicht in den Händen barg.
    »Was für ein blühender Unsinn!«, explodierte Slythurst, der seinen Schock jetzt vollständig überwunden hatte. »Roger wurde von einem Hund angefallen, und Ihr macht daraus einen nachgeahmten Märtyrertod! Welcher Mörder würde so etwas tun? Ich glaube eher, Ihr redet irre, Doktor Bruno. Dies hier«, er deutete auf den an dem Kerzenhalter hängenden Leichnam von James Coverdale, »ist eindeutig der grausame Anschlag eines Verrückten auf den armen James, und Eure ausufernde Fantasie
wird uns nicht dabei helfen, diesen gefährlichen Eindringling unschädlich zu machen! Ich vermute, dass jemand versucht hat, in die Stahlkammer einzubrechen, James wollte ihn daran hindern, und das ist jetzt das Ergebnis.«
    Er brach atemlos ab und stemmte herausfordernd die Hände in die Hüften.
    »Ein Dieb, der sich die Zeit genommen hat, mit dem Blut eines Sterbenden ein Bild an die Wand zu malen?« Ich gab seinen unverschämten Blick in gleicher Manier zurück. »Außerdem ist keine der Türen aufgebrochen und keine der Truhen angerührt worden. Ihr habt selbst gesagt, dass sowohl der Tresorraum als auch die äußere Tür verschlossen waren, als Ihr heute Morgen zurückgekommen seid«, erinnerte ich Slythurst. »Wer hat denn alles einen Schlüssel zum Tresorraum?«
    »Wir drei.« Slythurst deutete erst auf den Rektor und dann auf den blutigen Leichnam in der Ecke des Raumes. »Jeder von uns besitzt einen Schlüssel zur Stahlkammer, aber die wichtigsten Truhen sind mit drei Vorhängeschlössern gesichert, sodass sowohl der Rektor als auch sein Stellvertreter als auch der Quästor anwesend sein müssen, um sie zu öffnen. Wir nennen sie die Truhen der drei Schlüssel, sie enthalten den größten Teil der Geldmittel der Universität. Die

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