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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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sich zu Slythurst um und betrachtete ihn so abwesend und verwirrt, als erkenne er ihn kaum. »Das gibt Euch ein wenig Zeit, nicht wahr, Bruno?« Er wandte sich mit demselben Ausdruck unbestimmter Furcht zu mir um.
    Slythursts Kopf fuhr herum. »Zeit wofür?«
    »Rektor Underhill hat mich gebeten, die näheren Umstände der beiden Todesfälle zu untersuchen und zu sehen, ob ich ein Bindeglied zwischen den zwei Vorfällen finde.« Ich gab seinen Blick mit unbeteiligter Miene zurück.
    Slythursts Gesicht wurde blass vor Wut. Seine Lippen waren kaum noch zu sehen.

    »Bei allem Respekt, Rektor«, stammelte er und schien an seinem Zorn fast zu ersticken. »Haltet Ihr das für eine weise Entscheidung? Doktor Bruno mag ja eine blühende Fantasie haben, aber es erscheint mir wenig vernünftig, einen Ausländer … «, er betonte das letzte Wort mit eisiger Verachtung, »… in eine Angelegenheit zu verstricken, die eigentlich universitätsintern behandelt werden sollte. Was da ans Licht kommen kann …« Er brach ab und musterte mich. Ein Muskel seiner Wange begann zu zucken. Dann änderte er seinen Kurs. »Außerdem wird er in wenigen Tagen abreisen.«
    »Er ist bereits in diese Angelegenheit verstrickt, Walter«, erwiderte der Rektor bekümmert. »Doktor Bruno hat eine Botschaft von jemandem erhalten, der etwas über Roger Mercers Tod zu wissen scheint; vielleicht stammt sie sogar vom Mörder selbst.«
    »Wahrscheinlich eher von Studenten, die ihm einen Streich spielen wollten«, zischte Slythurst. Sein Blick heftete sich voll unverhohlenem Ärger auf mich. »Über diese Entscheidung würde ich gern später mit Euch sprechen, Rektor – unter vier Augen.«
    Underhill nickte müde.
    »Wir werden darüber sprechen, Walter, aber erst gibt es viel zu tun, und wir müssen zusammenarbeiten. Holt das Wasser, ich werde die Wand selbst säubern. Ich möchte, dass keine Spur von dieser … dieser Schmiererei zurückbleibt, und ich vertraue darauf, dass keiner von Euch sie erwähnt. Vielleicht könnt Ihr einen Boten finden, der dem Coroner einen Brief überbringt«, sagte er zu Slythurst. »Ich werde jetzt in meine Bibliothek gehen und ihn verfassen. Doktor Bruno, wie wollt Ihr weiter vorgehen?«
    Ich wünschte, der Rektor hätte den mysteriösen Brief nicht erwähnt; ich traute Slythurst immer noch nicht. Wir hatten nur sein Wort, dass er am Samstag wirklich vor der Disputation seine Unterlagen aus dem Tresorraum geholt hatte, und ich wusste nicht, wie viel sein Wort noch galt, nachdem er bezüglich der Durchsuchung von Roger Mercers Kammer bewusst gelogen
hatte. Wenn sich jemand problemlos Zutritt zu der Unterkunft des stellvertretenden Universitätsleiters und dem Tresorraum verschaffen konnte, dann war es der Quästor. Was auch immer mein geheimnisvoller Nachrichtenüberbringer wissen mochte – je weniger Leute erfuhren, was er oder sie mir mitteilen wollte, desto besser. Und jetzt wollte der Täter, dass dieser Mord mit dem Catherine Wheel in Verbindung gebracht wurde, und der Rektor gedachte dieses wichtige Symbol wegzuwischen. Langsam drohte mir das alles über den Kopf zu wachsen. Ich wusste nur eines mit Sicherheit: Der Umstand, dass Coverdale die Disputation so früh verlassen hatte, war ein Schlüssel zum Rätsel seines Todes.
    »Ich möchte den Studenten ausfindig machen, der Doktor Coverdale während der Disputation eine Nachricht überbracht hat; ich will wissen, warum Coverdale in solcher Eile zur Universität zurückgekehrt ist.«
    Underhill nickte.
    »Ich lasse Nachforschungen anstellen. Aber ich bitte Euch beide, bewahrt den Studenten gegenüber Stillschweigen, bis ich beim Essen in der Hall eine Ansprache gehalten habe. Bis dahin werde ich einen Weg gefunden haben, alles, was vorgefallen ist, so zu erklären, dass es möglichst wenig Aufregung gibt – wenn sich das überhaupt bewerkstelligen lässt.«
    »Aber vorher, Rektor Underhill«, fügte ich hinzu, »sollte ich mit Gabriel Norris sprechen. Wenn er Eure Anweisungen befolgt und seinen Bogen und die Pfeile in die Stahlkammer gebracht hat, müssen wir in Erfahrung bringen, wann und ob Doktor Coverdale ihn eingelassen hat. Und ich denke, Ihr solltet Euch in Euer Arbeitszimmer begeben, ein Glas Eures stärksten Weins trinken und Eure Gedanken sammeln, bevor Ihr entscheidet, was als Nächstes zu tun ist.«
    »Wo soll das hinführen, wenn der Rektor einer Universität wie Oxford von einem italienischen Papisten vorgeschrieben bekommt, was er zu tun hat«,

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