Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
Vom Netzwerk:
Truhen, in denen die Geschäftsbücher aufbewahrt werden, kann ich alleine öffnen.«
    »Eine Sicherheitsmaßnahme, um Veruntreuungen zu verhindern«, warf der Rektor ein.
    »James muss von einem Räuber mit vorgehaltenem Messer gezwungen worden sein, sie zu öffnen«, vermutete Slythurst.
    »Aber das hätte doch nichts gefruchtet, da Doktor Coverdale sie alleine nicht aufschließen konnte«, gab ich zu bedenken.
    »Das konnte ein Räuber aber nicht wissen. Vielleicht wurde James deswegen getötet«, mutmaßte Slythurst. »Der Dieb bekam einen Wutanfall, weil er ihm nicht glaubte, dass er die Truhe nicht öffnen konnte. So muss es gewesen sein!«
    Er schien bemerkenswert erpicht darauf, meine Theorie, Coverdales Tod könne mit dem von Roger Mercer zusammenhängen,
zu widerlegen. Ich fragte mich, ob er es einfach nicht ertragen konnte, dass ich in irgendeinem Punkt recht behielt, oder ob es ihm Spaß machte, falsche Spuren zu legen. Immerhin war er einer der beiden noch verbleibenden Männer, die einen Schlüssel zum Tresorraum hatten.
    »Wann wart Ihr zuletzt hier?«, fragte ich weiter.
    Slythurst schielte unbehaglich zum Rektor, der in seine eigenen Gedanken versunken zu sein schien und sich alle Mühe gab, nicht in die Richtung des Leichnams zu blicken.
    »Bei allem Respekt, Doktor Bruno, seid Ihr offiziell beauftragt worden, dieses Verbrechen zu untersuchen, dass Ihr meint, uns wie ein Richter verhören zu können?«
    »Antwortet ihm einfach, Walter, er versucht nur, uns zu helfen«, wies Underhill den Quästor zu meiner Überraschung matt zurecht. »Was mich betrifft, so war ich seit letztem Dienstag nicht mehr hier, als wir die Gelder und die Unterlagen für den Universitätsanwalt geholt haben. Stimmt das, Walter, war es am Dienstag?«
    »Das war das letzte Mal, dass wir alle zusammen hier waren«, bestätigte Slythurst, dabei warf er mir einen feindseligen Blick zu. »Ich selbst kam Samstagnachmittag kurz vor der Disputation noch einmal hierher, um die Papiere zu holen, die ich im Zusammenhang mit der Verwaltung unserer Ländereien in Aylesbury brauchte, und noch etwas Geld für die Reise und verschiedene Ausgaben. James ließ mich ein. Am Sonntagmorgen bin ich dann sehr früh nach Buckinghamshire aufgebrochen und erst heute nach meiner Rückkehr wieder in den Tresorraum gegangen, was Ihr ja bezeugen könnt. Stehe ich somit nicht mehr unter Verdacht?« Seine Augen funkelten sarkastisch.
    »Das zu beurteilen steht mir nicht zu.« Ich zuckte die Achseln. »Wann genau habt Ihr am Samstag die bewussten Dokumente geholt?«
    »Das sagte ich doch schon: kurz vor der Disputation, also vermutlich gegen halb fünf. Ich wollte alles für meinen Aufbruch am nächsten Tag vorbereiten, denn ich wusste, dass das Fest im
Christ Church erst spät enden würde, und ich wollte James dann nicht mehr stören.« Er schielte verstohlen zu Coverdales bizarrem Leichnam hinüber und senkte dann den Kopf.
    Ich trat erneut zu dem Toten, musterte die aus seinem Fleisch ragenden Pfeile und betrachtete ihn von allen Seiten, dann berührte ich einen der Blutflecken auf seinem Hemd. Ein klebriger Rest blieb auf meiner Fingerspitze zurück.
    »Es ist gut möglich, dass der Leichnam seit Samstagabend hier hängt«, stellte ich fest. »Das Blut ist getrocknet und die Leichenstarre schon vorüber, der Verwesungsprozess hat eingesetzt. Wenn das Wetter wärmer gewesen wäre, wäre die Zersetzung weiter fortgeschritten, und wir könnten in diesem Raum nicht mehr atmen. Aber mir ist da etwas eingefallen: Doktor Coverdale hat die Disputation verlassen, weil einer der Studenten ihm anscheinend eine dringende Botschaft überbracht hat. Ich frage mich, ob er auf diese Weise in den Tod gelockt wurde.«
    »Ich erinnere mich, dass er an dem Festmahl zu Ehren des Palatins nicht teilgenommen hat«, murmelte der Rektor. »Das kam mir merkwürdig vor, denn er hat sich darauf gefreut – er liebt es, Männer hohen Standes zu beeindrucken. Liebte es «, berichtigte er sich hastig, dabei schüttelte er den Kopf. »Gott im Himmel!« Die Qual in seiner Stimme klang aufrichtig, war aber, wie ich vermutete, nicht auf die Trauer um seinen Kollegen zurückzuführen. »Ihr habt recht, Doktor Bruno, wir werden die Umstände seines Todes nicht geheim halten können. Es wird eine gründliche Untersuchung geben, der Coroner und der Richter werden verständigt werden – die Universität steht vor dem Ruin! Ich kann mir gut vorstellen, dass einige unserer Förderer ihren

Weitere Kostenlose Bücher