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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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knurrte Slythurst, doch der Rektor hüstelte und wirkte verlegen und dankbar zugleich.

    Wir stiegen behutsam die Stufen hinab. Ich ging mit der Laterne voraus und blieb stehen, um die blutigen Fußabdrücke zu untersuchen, die auf einigen Stufen noch zu sehen waren. Auf dem Boden von Coverdales Räumen unter dem Tresorraum fand ich noch einige schwache Spuren, aber ansonsten waren sowohl der große Wohnraum als auch die angrenzende Schlafkammer sauber und ordentlich. Ich durchquerte sie und überprüfte die Tür, die zur Hoftreppe führte.
    »Der Raum war verschlossen, als Ihr heute Morgen hier wart?«, fragte ich Slythurst erneut.
    Der Quästor schnaubte ungeduldig. »Das habe ich Euch doch schon drei Mal gesagt. Ich nahm an, dass James ausgegangen war, und da ich die Gelder und Dokumente wegschließen wollte, die ich aus Aylesbury mitgebracht habe, lieh ich mir den Zweitschlüssel von Cobbett und öffnete die Tür. Was wollt Ihr damit andeuten, Doktor Bruno?«
    »Ich stelle lediglich fest, dass weder die Tür zum Turmtreppenhaus noch diese Haupttür zu Doktor Coverdales Räumen Anzeichen dafür aufweisen, dass jemand versucht hat, sie gewaltsam aufzubrechen«, entgegnete ich. »Also muss er seinen Mörder freiwillig hereingelassen haben, oder er wurde von jemandem getötet, der sich bereits im Besitz eines Schlüssels befand.«
    Slythurst warf mir daraufhin einen so giftigen Blick zu, dass ich ihm in diesem Moment einen Mord durchaus zutraute. Ich wandte mich an Underhill, über dessen Gesicht im flackernden Schein der Laterne gespenstische Schatten tanzten.
    »Der Turm muss auf jeden Fall versiegelt werden, bis der Leichnam entfernt wird«, sagte ich. »Wenn Ihr einen der Universitätsdiener am Fuß der Treppe postiert, werden wir bald wissen, ob sich jemand ihr nähern will. Aber ich würde mich gerne selbst dort umsehen. Vielleicht hat der Mörder Spuren hinterlassen.«
    »Ja. Ja, das erscheint mir sehr vernünftig.« Der Rektor seufzte. »Ich muss nach dem Coroner schicken. Walter, Ihr seid jetzt
nach mir der ranghöchste Universitätsangehörige. Ich brauche Eure Hilfe bei der Entscheidung, was wir unserer kleinen Gemeinschaft sagen sollen. Vielleicht begleitet Ihr mich in meine Wohnung? Und sagt Cobbett, er soll einen der Männer aus der Küche zur Turmtreppe schicken.«
    Slythurst nickte und huschte eilig die Stufen zum Pförtnerhaus hinunter. Underhill drehte sich zu mir um. Aus dem langen Blick, den er mir zuwarf, schloss ich, dass er noch etwas auf dem Herzen hatte.
    »Die Pfeile wurden erst nach seinem Tod auf ihn abgeschossen, sagt Ihr?«
    »Das ist schwer zu sagen, aber ich denke, das Blut stammte zum größten Teil aus der Halswunde. Wenn er da noch nicht tot war, stand er jedenfalls kurz vor dem Ende; ich glaube nicht, dass er gespürt hat, was mit ihm geschah, wenn Ihr mich das fragen wolltet.«
    »Also ist er schnell gestorben?«, erkundigte sich der Rektor fast hoffnungsvoll.
    Ich zögerte, kam dann aber zu dem Schluss, dass es barmherziger war, die grausamen Wunden an Coverdales Hals vorerst nicht zu erwähnen. Der Coroner würde die Wahrheit bald genug herausfinden.
    »Es war ein furchtbarer Tod, das kann ich nicht leugnen. Aber ich habe schon öfter Männer mit durchschnittenen Kehlen gesehen – sie bleiben nicht lange am Leben.«
    Underhill betrachtete mich mit schiefem Kopf. Die Kerze in der Laterne erlosch allmählich, der Raum war trotz der frühen Stunde wieder in ein Dämmerlicht getaucht, und mir kam es so vor, als würde der Gestank des Todes von der Stahlkammer zu uns hinunterziehen.
    »Für einen Philosophen habt Ihr ein seltsames Leben geführt, Doktor Bruno«, murmelte Underhill. »Das unsere muss Euch doch dagegen bequem und behütet vorkommen. Jedenfalls dachte ich das bis zu dieser Woche. Ich habe mich hier vor der Welt versteckt, Oxford für ein sicheres Refugium gehalten. Ich
habe die Augen zu lange vor der Wahrheit verschlossen, und das wird meine Familie ruinieren.«
    »Rektor Underhill.« Ich beugte mich zu ihm. »Wenn Ihr irgendetwas wisst oder vermutet, irgendetwas, das mit diesen Todesfällen in Verbindung stehen könnte, dann dürft Ihr es nicht für Euch behalten. Vor welcher Wahrheit habt Ihr die Augen verschlossen?«
    Der Rektor blickte nervös über seine Schulter zur Tür, eine rasche, rattengleiche Bewegung, dann beugte er sich gleichfalls vor. Sein rundes Gesicht wurde von unten von der Laterne beleuchtet.
    »Euer Freund, Sir Philip …«
    »Was ist mit

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