Ketzer
habe.«
Ich bemerkte, dass seine Hände zitterten und seine Atemzüge sich beschleunigt hatten. Die Erinnerung schien ihn sehr zu belasten.
»Haben sie Gewalt angewendet?«
»Nein, Sir. Aber sie haben mich so weit gebracht, dass ich Dinge zugegeben habe, die gar nicht wahr waren, weil ich so durcheinander war. Es ist merkwürdig, wenn jemand Euch eine Schuld nachweisen will, bringt er Euch dazu, Euch schuldig zu fühlen, obwohl Ihr unschuldig seid. Ich hatte Angst, mir selber versehentlich einen Strick zu drehen, Sir. Es war eine grauenhafte Erfahrung.«
»Das kann ich mir gut vorstellen«, bestätigte ich mitfühlend.
Ich erinnerte mich nur zu gut an die Furcht, die von mir Besitz ergriffen hatte, als der Abt mir vor vielen Jahren mitgeteilt hatte, ich würde von der Inquisition verhört werden. »Und jetzt fürchtet Ihr, erneut einem solchen Verhör unterzogen zu werden, wenn bekannt wird, dass Euer Vater sich zum Jesuitenpriester weihen lassen will?«
Er nickte und sah mir endlich voll in die Augen.
»Wenn sie mir schon vorher nicht geglaubt haben, wie viel schlimmer muss es dann werden, wenn sie erfahren, dass er an der Jesuitenmission beteiligt ist? Was, wenn sie mich zum Verhör nach London bringen? Ich habe gehört, wie sie dort vorgehen, um an die Informationen zu kommen, die sie wollen. Sie bringen einen Menschen dazu, alles zu sagen, was sie hören wollen.«
Ich erinnerte mich an das Gespräch, das ich mit Walsingham in dessen Garten geführt hatte, und mich durchzuckte ungewollt ein Schauer. Thomas’ schmales, spitzes Gesicht war so bleich, dass die blauen Adern an seiner Schläfe hervortraten wie ein mit Tinte auf einer Karte eingezeichnetes Flussdelta. Seine Furcht war echt, daran bestand kein Zweifel.
»Die Behörden würden davon ausgehen, dass Ihr genug wisst, um eine hochnotpeinliche Befragung zu rechtfertigen?«, vergewisserte ich mich.
»Ich weiß überhaupt nichts, Sir!«, protestierte er. Jetzt loderten seine Wangen flammend rot. »Aber ich bin kein tapferer Mensch, ich weiß nicht, was ich sagen würde, wenn sie mich quälen.«
»Sagt mir die Wahrheit, Thomas«, verlangte ich mit fester Stimme. »Ich kann Euch sonst nicht helfen. Habt Ihr Angst, Ihr könntet unter der Folter die Geheimnisse Eures Vaters und seiner Verbündeten verraten?«
»Ich wollte von all dem nichts wissen, Sir«, flüsterte er, mühsam mit den Tränen kämpfend. »Das habe ich auch meinem Vater gesagt, aber er wollte mich in alles einweihen. Er war entschlossen, mich zum römischen Glauben zu bekehren; er wollte,
dass ich ihn nach Frankreich begleite, damit er nicht zwischen seinem Sohn und der Kirche wählen musste. Ich glaube, er nahm an, ich würde Loyalität gegenüber seinen Freunden empfinden, wenn er mich ins Vertrauen zog. Stattdessen bin ich der Gefangene von Geheimnissen, die ich nie erfahren wollte. Ich leide für einen Glauben, den ich noch nicht einmal teile!« Er schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Habt Ihr nie daran gedacht, mit Euren Geheimnissen an die Öffentlichkeit zu gehen?«, fragte ich. »Ihr wisst doch sicher, dass der Earl of Leicester jeden belohnt, der ihm solche Informationen über die katholische Widerstandsbewegung in Oxford liefert, wie Ihr das könnt?«
Thomas starrte mich an, als dauere es einige Zeit, bis meine Worte in sein Bewusstsein einsickerten.
»Natürlich habe ich daran gedacht. Habt Ihr je gesehen, wie ein Katholik in England hingerichtet wird, Doktor Bruno?«
Ich räumte ein, dass das nicht der Fall war.
»Aber ich. Mein Vater hat mich im Dezember 1581 mit nach London genommen, damit ich der Hinrichtung von Edmund Campion und seiner Jesuitenbrüder beiwohne. Ich glaube, er wollte mir begreiflich machen, was auf dem Spiel steht.« Er fuhr sich mit einer Hand über die Stirn und kniff die Augen zusammen, als könne er so die Szene ausblenden, die er hatte mit ansehen müssen. »Sie wurden aufgeschlitzt wie Schweine im Schlachthaus. Während sie noch lebten, wurden ihnen die Gedärme aus dem Leib gerissen, man zog sie auf eine Spindel, damit es langsamer ging. Und sie kreischten nach ihrem Gott, während ihre Eingeweide der johlenden Menge gezeigt und ihre Herzen in Becken mit glühenden Kohlen geworfen wurden. Ich konnte den Anblick nicht ertragen, Doktor Bruno, aber ich schielte zu meinem Vater, und sein Gesicht war so verzückt, als hätte er ein so herrliches Schauspiel noch nie gesehen. Ich könnte niemanden bewusst einem solchen Schicksal ausliefern. Ich
Weitere Kostenlose Bücher