Ketzer
über das Wetter und seine Gesundheit, und ich berichte ihm von meinen Studien. Darüber hinaus wagen wir keinerlei Andeutungen zu machen. Und dann wird gemunkelt, der Earl of Leicester hätte einen Spion in die Universitätsgemeinschaft eingeschleust, solche Angst haben sie vor dem geheimen Einfluss der Papisten.«
»Einen Spion? Ob das der Wahrheit entspricht?« Ich beugte mich interessiert vor.
»Ich weiß es nicht. Aber wenn derjenige sein Handwerk versteht, werde ich ihn wohl kaum erkennen, nicht wahr?«
»Also teilt Ihr den Glauben Eures Vaters nicht?«
Thomas starrte mich an, als wolle er mich herausfordern, ihm zu widersprechen.
»Nein, Sir, das tue ich nicht. Ich spucke auf den Papst und die Kirche von Rom. Aber das habe ich so lange beteuert, bis ich heiser war, und trotzdem glaubt man mir bis heute nicht. Wozu soll das also gut sein?«
Ich wartete, bis er zu Ende gekaut hatte, und musterte ihn
mit auf den Tisch gestützten Ellbogen und auf den gefalteten Händen ruhendem Kinn.
»Was habt Ihr denn vor drei Tagen über Euren Vater erfahren?« , fragte ich dann. »Ist er krank?«
Thomas schüttelte den Kopf.
»Schlimmer«, erwiderte er grimmig. »Er ist …« Er brach ab, ohne sich den Bissen Brot, den er sich abgebrochen hatte, in den Mund zu schieben, und sah mich an, als wäre ihm erst jetzt bewusst geworden, wer ich war. Seine Augen flackerten, während er abwog, ob er mir trauen konnte oder nicht. »Schwört Ihr, dass Ihr keiner Menschenseele davon erzählt?«
»Ich schwöre es.« Ich nickte ernst und hielt seinem Blick stand, so gut ich konnte.
Er überlegte einen Moment, wobei er mich immer noch unverwandt ansah, dann nickte er knapp.
»Mein Vater wird weder jetzt noch jemals sonst wieder nach England zurückkehren, auch dann nicht, wenn Königin Bess ihm persönlich schreiben und ihn begnadigen würde.«
»Aber warum denn nicht?«
»Weil er glücklich ist. « Thomas betonte die letzten beiden Worte mit unverhohlenem Zorn. »Er ist glücklich, weil er seine Berufung gefunden hat, Doktor Bruno. Manchmal glaube ich, er hat sich im Lincoln bewusst als Ketzer überführen lassen, um sich endlich offen zu seinem Glauben bekennen zu können. Wenn er mir schreibt, diktiert er die Briefe einem Schreiber – wisst Ihr, warum?«
Ich schüttelte den Kopf, und er fuhr fort, ohne eine weitere Antwort abzuwarten: »Weil er vom Kronrat verhört wurde. Sie haben ihn acht Stunden lang so an den Händen aufgehängt, dass seine Füße den Boden nicht berührten. Schließlich verlor er das Bewusstsein, aber gestanden hat er trotzdem nicht. Seine rechte Hand kann er seither fast nicht mehr gebrauchen. Und ich glaube, damals wäre er sogar freiwillig in den Tod gegangen; er hätte sich für einen Märtyrer gehalten. Vor drei Tagen erfuhr ich, dass mein Vater die Gelübde als Jesuitenpriester ablegen
wird«, schloss er in einem Ton, der an trockene Belustigung grenzte. »Dann hat ihn die Kirche ganz in den Klauen, und er wird vergessen, dass er je eine Frau und einen Sohn hatte.«
»Ich denke nicht, dass ein Vater dazu imstande ist«, widersprach ich.
»Ihr kennt ihn nicht.« Thomas presste wütend die Lippen zusammen. »Wir sind eine alte katholische Familie, Sir. Aber ich frage Euch, wie kann eine Religion, die angeblich auf Liebe basiert, gleichzeitig Männer so grausam zwingen, alle natürlichen Bande von Liebe und Freundschaft zu zerschneiden? Nur damit sie wegen der Aussicht auf ein unbekanntes Paradies zu Märtyrern werden? Mit einem Gott, der solche Opfer verlangt, will ich nichts zu schaffen haben!«
Er hatte beim Sprechen den Rest seines Brotes zwischen den Fingern zerkrümelt. Als er nach einem weiteren Stück griff, rutschte der ausgefranste Ärmel seines Gewandes nach hinten, und ein schmuddeliger provisorischer Verband um sein Handgelenk und den unteren Teil seiner rechten Hand kam zum Vorschein. Er war mit bräunlichen Flecken übersät, über denen frischere rote erblüht waren.
»Was ist denn mit Eurer Hand passiert?«, fragte ich.
Er zog den Ärmel sofort wieder über den Verband und rieb sich verlegen das Handgelenk.
»Es ist nicht weiter schlimm.«
»Es sieht aber schlimm aus, es hat böse geblutet. Ich kann es mir einmal ansehen, wenn Ihr möchtet.«
»Seid Ihr ein Doktor?«, fauchte er, dabei zog er den Arm so hastig zurück, als fürchte er, ich könnte den Verband ohne seine Zustimmung abnehmen.
»Nur der Theologie«, räumte ich ein. »Aber während meiner Zeit als Mönch
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