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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Probleme, und Sophia blieb weitgehend der Gesellschaft der Männer an der Universität überlassen. Es wurden zwar Gouvernanten eingestellt, aber sie blieben nie lange.« Er lachte leise. »Ich kann es ihnen nicht verdenken, ich würde auch nicht gern versuchen, Sophia zu etwas zu zwingen, was sie nicht will.«
    Ich nickte, weil ich mich daran erinnerte, wie sie mit dem sittenstrengen Diener Adam umgesprungen war.
    »Das glaube ich gern. Euch liegt immer noch viel an ihr, nicht wahr?«
    Sein Gesicht verschloss sich.
    »Was spielt das für eine Rolle? Sie will mich jetzt ohnehin nicht mehr.«
    »Hat sie einen anderen Verehrer?«
    Seine Züge verhärteten sich, und ein Anflug von Zorn blitzte in seinen Augen auf.
    »Was auch immer Ihr gehört habt, es ist eine Lüge! Sophia hat ein liebevolles Naturell, lässt sich aber leicht täuschen …« Er brach abrupt ab, seine Stimme zitterte, und einen Moment lang dachte ich, er würde in Tränen ausbrechen, aber dann holte er tief Atem und nahm sich zusammen. »Aber wenn Ihr es unbedingt wissen müsst: Ja, mir wird immer etwas an ihr liegen, und ich würde alles tun, um sie zu schützen. Alles .«
    Angesichts der Wildheit, die in seinen letzten Worten mitschwang, blieb ich unwillkürlich stehen und sah ihn erstaunt an.
    »Wovor wollt Ihr sie denn schützen? Droht ihr Gefahr?«
    Thomas wich einen Schritt zurück. Mein eindringlicher Blick schien ihn zu verwirren.
    »So habe ich das nicht gemeint, ich wollte nur sagen, dass sie immer auf mich zählen kann, wenn sie mich braucht.«
    Ich packte ihn am Handgelenk, woraufhin er leise aufschrie;
ich hatte seine Verletzung vergessen. Rasch ließ ich ihn los, fasste ihn stattdessen an seinem Gewand und brachte mein Gesicht ganz nah an das seine heran.
    »Thomas, wenn Ihr von irgendeiner Gefahr wisst, die für Sophia besteht, dann müsst Ihr es mir sagen.«
    Seine Augen wurden schmal, er trat erneut einen Schritt zurück, aber diesmal etwas gefasster, und seine Stimme nahm einen neuen Klang an.
    »Muss ich, Doktor Bruno? Was wollt Ihr denn dann unternehmen – Ihr Euren eigenen Schutz anbieten? Oder etwas anderes? Und wenn Ihr in ein paar Tagen nach London zurückreist, was bleibt ihr denn dann?«
    »Ich meinte nur, dass es Eure Pflicht ist, jedwede mögliche Gefahr jemandem zu melden, der imstande ist, ihr zu helfen.« Ich versuchte, so unbeteiligt wie möglich zu klingen, als ich sein Gewand losließ, aber ich wusste, es war zu spät, ich hatte mich verraten und mich als Rivalen zu erkennen gegeben.
    Thomas strich sein Gewand glatt, wandte sich ab und ging die St. Mildred’s Lane entlang auf das Tor des Lincoln zu. Die Arme hatte er um seinen schmächtigen Oberkörper geschlungen.
    »Ihr habt ja keine Ahnung, wovon Ihr sprecht«, sagte er endlich, dabei hielt er den Blick starr geradeaus gerichtet, als würde er seine Worte nicht an mich richten, sondern nur laut denken.
    Dann nahm er plötzlich meine Hand. »Danke, dass Ihr mir zugehört habt, Doktor Bruno. Und es tut mir leid, wenn ich etwas Falsches gesagt habe, ich lebe immer noch in ständiger Angst. Denkt Ihr an meine Bitte, wenn es Euch nicht zu viel Mühe macht?«
    »Das werde ich, Thomas. Ich bin froh, dass Ihr Euch mir anvertraut habt.«
    »Ich muss Oxford verlassen.« Er umklammerte meine Hand fester. »Ich möchte in London ein neues Leben anfangen. Könnt Ihr Sir Philip das ausrichten? Eine Empfehlung von ihm würde mir vieles erleichtern, und ich würde ihm und dem Earl lebenslange Ergebenheit schwören.«

    »Ich werde mein Bestes tun«, versprach ich und meinte es auch so, obwohl ich immer noch sicher war, dass er mir nicht alles gesagt hatte, was er wusste. »Und lasst die Wunde an Eurem Handgelenk neu verbinden.«
    Er verneigte sich leicht und huschte durch das Tor, um seinen Pflichten nachzukommen.
     
    Der Regen peitschte noch immer in endlosen schräg einfallenden Böen über den Hof, aber der Himmel war jetzt dunkler als bei meinem Aufbruch. Ich blickte zu dem kleinen Fenster oben im Turm und erschauerte bei dem Gedanken, dass Coverdales blutiger Leichnam noch immer an dem Kerzenleuchter hing und die Pfeile aus seiner Brust und seinem Magen ragten. Ich hatte einmal die Basilika San Sebastiano fuori le mura in Rom besichtigt, in deren Katakomben die sterblichen Überreste vieler Heiliger bestattet sind. Die große Heiligenfigur dort mit dem vor Qual verzerrten Gesicht und den Pfeilen, die an die Stacheln eines Stachelschweins denken ließen, war mir

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