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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Sir.« Thomas’ Stimme war kaum noch zu vernehmen. »Er hat sie privat versandt, hat jemanden in der Stadt bezahlt, der die Möglichkeit hatte, Briefe nach Übersee zu senden.«
    »Aha. War dieser Jemand vielleicht ein Buchhändler?«
    »Möglich. Ich habe nie gefragt, ich fand, das war seine Sache«, erwiderte Thomas gleichmütig, wich aber meinem Blick aus. Dann beugte er sich plötzlich so weit vor, dass er fast auf dem Tisch lag, und packte meinen Ärmel.
    »Ich bin weder für meinen Vater noch für irgendwelche Briefe verantwortlich, die er vielleicht verschickt hat, und das habe ich während der letzten Jahre Gott und der Welt klarzumachen versucht. Ich will nur in Ruhe und unbehelligt leben, Oxford verlassen und dann in London Rechtswissenschaft studieren, aber ich fürchte, eine Karriere als Anwalt wird mir ebenso verwehrt bleiben wie eine Frau aus guter Familie, solange ich nur danach beurteilt werde, wer mein Vater ist. Vor allem, wenn er sich den Jesuiten anschließt«, fügte er voller Selbstmitleid hinzu. »Der Kronrat hat Spione in allen Seminaren sitzen und wird sehr bald davon erfahren. Es sei denn, ein einflussreicher Mann setzt sich für mich ein.«
    Er sah mich flehend an, doch ich achtete nicht darauf, ich war mit meinen Gedanken anderswo. Wenn Edmund Allen in Reims die Priesterweihen empfing, hatte er etwas mit der englischen
Mission zu tun. Das würde die Durchsuchung von Mercers Kammer erklären. Allens Briefe an ihn würden, wenn ihr Inhalt sich darauf bezog, Beweis genug sein, um den Untergang eines jeden herbeizuführen, der mit ihm im Bund gewesen war. Was es nicht erklärte, war, warum Roger Mercer getötet worden war. Hatte er gedroht, die Sache zu verraten? War er irgendjemandem in die Quere gekommen? Enthielten die Briefe, die Roger Mercer und Edmund Allen gewechselt hatten, Namen anderer Beteiligter, die sich um jeden Preis schützen wollten? Das »J«, das an seinem Todestag in seinen Kalender eingetragen war, konnte gut für Jenkes stehen, grübelte ich. Einer, der sich seine eigenen Ohren abschnitt, ohne mit der Wimper zu zucken, würde sicher nicht zögern, einen Mann zu beseitigen, der sein Geschäft bedrohte – wenn ich nicht Cobbetts Legenden zum Opfer gefallen war. Es gab entschieden zu viele offene Fragen, und die möglichen Antworten blieben alle unklar. Ich stützte den Kopf auf die Hände und starrte die Tischplatte an.
    »Alles in Ordnung, Doktor Bruno?«
    »Ich frage mich, ob Mercer von einem Katholiken getötet wurde«, murmelte ich, ohne zu bemerken, dass ich laut gedacht hatte, bis ich aufblickte und feststellte, dass Thomas mich mit einem eigenartigen Ausdruck in den Augen betrachtete.
    »Doktor Mercer wurde von einem Hund getötet«, erinnerte er mich.
    »Ach kommt schon, Thomas, glaubt Ihr das wirklich? Wie oft haben bislang streunende Hunde in den Straßen von Oxford Menschen angefallen? Und Roger Mercer hielt sich überdies in einem abgeschlossenen Garten auf.«
    »Ich weiß es nicht, Sir.« Wieder vermochte er mir nicht in die Augen zu sehen. »Ich weiß nur, was der Rektor uns gesagt hat. Das Tor wurde offen gelassen, und der Hund gelangte in den Garten.«
    Er musterte seinen leeren Humpen, als würde er sich auf wundersame Weise wieder füllen, wenn er ihn nur lange genug fixierte.

    »Noch etwas zu trinken, Thomas?«
    Er nickte bereitwillig, und ich wies das Schankmädchen an, uns noch zwei Humpen Bier zu bringen. Sowie sie sich entfernt hatte, lehnte ich mich über den Tisch und wartete, bis Thomas mich ansah.
    »Was wolltet Ihr mir über Euren Vater erzählen, das Ihr niemandem sonst anvertrauen könnt?«
    Thomas kratzte mit den Fingernägeln auf der Tischplatte herum.
    »An Eurem ersten Tag in Oxford, als ich Euch für Sir Philip hielt, wart Ihr freundlich zu mir, als Rektor Underhill mich demütigen wollte«, sagte er ruhig. »Ich dachte – vielleicht war es töricht von mir, aber ich dachte, wenn Sir Philip auf Euch hört, würdet Ihr Euch vielleicht für mich verwenden.«
    »Was wollt Ihr mir denn nun sagen?«
    Er holte tief Atem und stieß ihn langsam wieder aus, während er den Blick auf seine Hände gerichtet hielt.
    »Ich möchte Oxford verlassen, Sir. Ich habe Angst. Nach der Verhaftung meines Vaters wurde ich zweimal streng verhört. Sie wollten mir nicht glauben, dass ich nichts von seinem geheimen Leben wusste, und die Befragung war furchtbar: Sie haben mir die Worte im Mund herumgedreht, bis ich mir schließlich selber widersprochen

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