Ketzer
aufzuerlegen, um diesen unseren Glauben zu festigen.« Er holte tief Atem und faltete zum Zeichen der Demut die Hände. »Ich muss euch leider mitteilen, dass so kurz nach dem tödlichen Unfall meines Stellvertreters Roger Mercer eine zweite Tragödie über uns hereingebrochen ist. Doktor James Coverdale wurde getötet, als er, wie es aussieht, versuchte, den Tresorraum vor gewalttätigen Räubern zu schützen.«
Er senkte den Kopf. Einen Moment lang herrschte Stille, dann brach ein Gemurmel aus geflüsterten Spekulationen los. Der Rektor gebot kein Schweigen, sondern wartete ab, bis der erste Schock abgeebbt war, dann hob er eine Hand.
»Wollen wir Wetten darauf abschließen, wer mutig genug ist, jetzt das Amt zu übernehmen?«, flüsterte Norris seinem Freund vernehmlich zu, was am Tisch der Undergraduates unterdrücktes Gelächter auslöste. Der Rektor räusperte sich strafend.
»Wenn jemand während des Wochenendes etwas bemerkt hat, was zur Aufklärung des schrecklichen Verbrechens und zur Identifizierung der Täter beitragen könnte, kann er in meiner Wohnung eine Nachricht hinterlassen«, verkündete er.
Norris wandte sich zu ihm und hob gleichfalls eine Hand.
»Rektor Underhill, dürften wir erfahren, wie viel gestohlen wurde?«
Der gut gekleidete junge Mann neben ihm nickte nachdrücklich. Ich fragte mich, ob diese wohlhabenden Commoners ihr Privatvermögen wohl auch im Tresorraum aufbewahrten.
Der Rektor zögerte.
»Äh – nun ja – im Moment sieht es so aus, als würde gar nichts fehlen. Wahrscheinlich hat Doktor Coverdales beherztes Eingreifen die Räuber vertrieben.«
»Ein seltsamer Raubüberfall«, bemerkte Norris, der seine Worte sorgfältig abzuwägen schien. »Einen Mann vollkommen umsonst zu töten …«
»In der Tat, in der Tat«, nickte der Rektor ernst. »Eine furchtbare Verschwendung eines Menschenlebens.«
An unserer erhöhten Tafel verlief das Mahl weitgehend schweigend, doch die unter uns sitzenden Männer tuschelten weiterhin aufgeregt miteinander. Master Godwyn zu meiner Rechten hielt den Blick auf seinen Teller gerichtet und sagte fast nichts, aber mir entging nicht, dass seine Hand jedes Mal, wenn er seinen Humpen hob, zitterte, als litte er unter der Schüttellähmung. Slythurst links neben mir legte gelegentlich sein Messer zur Seite, um sich zwischen den einzelnen Bissen über die laschen Sicherheitsvorkehrungen zu beschweren, die er für den Tod seiner Kollegen verantwortlich machte – als wüsste er nicht, dass sich der Mörder in beiden Fällen mit einem Schlüssel Zutritt verschafft hatte.
»Die Universität sollte einen richtigen Wächter am Tor haben«, schlug er laut vor. »Cobbett ist zu alt und zu oft betrunken, um nützlich zu sein – er würde es noch nicht einmal merken, wenn ein Trupp bewaffneter Stadtmilizen durch sein Fenster stiege. Und was seinen alten Köter betrifft – wir brauchen einen Wachhund, der darauf dressiert ist, Eindringlinge zu vertreiben. Und das Haupttor sollte die ganze Zeit geschlossen sein, sodass nur diejenigen, die sich im Besitz eines Schlüssels befinden, das Gelände betreten können.«
»Walter, ich finde, ein gefährlicher Hund ist das Letzte, was die Universität jetzt brauchen kann.« Godwyn hob einen Moment müde den Kopf. »Und wir sind eine Gemeinschaft von Gelehrten, kein Gefängnis. Wir können die Welt nicht aus- und unsere jungen Männer nicht einschließen. Und denk doch nur an die Kosten, die uns entstehen würden, wenn wir alle Undergraduates
mit einem Schlüssel zum Haupttor versehen würden.« Kopfschüttelnd versank er wieder in seinen Gedanken.
»Master Slythurst, als Quästor obliegt es Euch doch wohl, des Öfteren neue Schlüssel für die verschiedenen Schlösser hier in der Universität zu beschaffen?«, fragte ich freundlich, während ich versuchte, eine Scheibe gekochtes Hammelfleisch durchzuschneiden.
Slythurst warf mir einen wütenden Seitenblick zu, um mich wissen zu lassen, dass ihm mein ungebetener Einwurf missfiel, aber da er sich in der Hörweite der anderen Fellows befand, sagte er nur: »Allerdings. Eine teure Angelegenheit – die Schlüssel gehen ständig verloren oder werden zerbrochen.«
»Fällt diese schwierige Aufgabe immer Euch zu, oder beauftragt Ihr gelegentlich andere, den Schlosser aufzusuchen?«, fuhr ich in demselben unschuldigen Ton fort.
»Das übernehme ich selbst«, erwiderte er merklich schärfer. »Wenn es um die Sicherheit der Universität geht, kann man nicht
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