Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
Vom Netzwerk:
erwiderte er langsam. »Aber zwei von uns sind innerhalb von zwei Tagen gewaltsam umgekommen. Das reicht aus, um mir Angst einzujagen.«
    Ich wollte ihn gerade fragen, wen er mit »uns« meinte, als
William Bernard sich rechts an Godwyn vorbeibeugte und mich mit seinen wässrigen Augen fixierte.
    »Ihr stellt ziemlich viele Fragen, Doktor Bruno?«
    »Zwei Tragödien in zwei Tagen, Doktor Bernard – solche Ereignisse werfen Fragen auf, meint Ihr nicht?«
    »Die Antwort liegt auf der Hand. Gott bestraft die Universität für ihre religiöse Falschheit. Er lässt Seiner nicht spotten«, zischte Bernard in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
    »Wollt Ihr damit andeuten, Doktor Coverdale hätte bestraft werden müssen?«
    Ein zorniger Funke glomm in Bernards Augen auf.
    »Ich deute nichts dergleichen an, Hexenmeister, sondern ich sage nur, dass uns alle wegen unseres Ungehorsams der Zorn Gottes trifft. Er richtet über uns, und wer kann schon ahnen, wen Sein Urteil als Nächstes trifft?«
    »Auf wen würdet Ihr denn tippen, Doktor Bernard?«, hakte ich nach.
    »Genug der Fragen!« Bernard schlug mit seiner knochigen Faust so fest auf den Tisch, dass sein Ale überschwappte.
    »William.« Godwyn legte seine Hand beschwichtigend über die Bernards. Dieser schüttelte sie gereizt ab und verfiel wieder in Schweigen.
    Jetzt beugte sich der Rektor mit zusammengezogenen Brauen zu mir.
    »Diskretion ist alles, Bruno.« Sein besorgter Blick schweifte über die sich angeregt unterhaltenden Studenten an den Tischen. »Sprecht mit ihnen, wenn die Studenten nicht dabei sind. Wir wollen den Gerüchten keine weitere Nahrung geben. Das Schlimmste müssen wir so lange wie möglich für uns behalten.«
    Er vollführte eine knappe Geste, woraufhin der rothaarige Junge erneut das Chorpult bestieg, um etwas aus der großen, mit einer Messingkette festgeketteten Bibel vorzulesen. Es war ein Kapitel aus dem Buch Hesekiel, aber der Vortrag des Jungen trug nicht dazu bei, das Getuschel der Studenten verstummen zu lassen, von dem ich allerdings nichts Genaueres verstehen konnte.
Aber der Klang der Stimmen und die funkelnden Augen verrieten mir, dass der zweite gewaltsame Todesfall an der Universität mehr Erregung als Furcht hervorgerufen hatte.
    Als die Studenten nach der Mahlzeit aus der Hall strömten, verstieß ich gegen alle Etikette, sprang auf und drängte mich zu Gabriel Norris durch, der Thomas Allen gerade anwies, draußen auf ihn zu warten. Norris war soeben zur Tür hinausgetreten, als ich eine Hand ausstreckte und ihm einen leichten Schlag auf den Rücken gab. Er stieß ein schmerzerfülltes Zischen aus – ziemlich übertrieben, wie ich fand, denn ich hatte ihn nur mit der flachen Hand getroffen, aber als er sich umdrehte, sah ich, dass er die Zähne zusammengebissen hatte, wie um einen weiteren leisen Schrei zu unterdrücken. Ich legte ihm behutsam eine Hand auf den Arm.
    »Verzeiht mir – ich wollte Euch nicht erschrecken.«
    »Doktor Bruno!« Er schien unter Aufbietung all seiner Willenskraft auszuatmen, ehe er seinen Arm wegzog und seinen seidenen Ärmel abklopfte, als hätte meine Hand einen Fleck darauf hinterlassen. »Was müsst Ihr von unserer Universität denken – sie wird allmählich zu einem Schlachthaus. Jedenfalls können wir beide uns diesmal nicht vorwerfen, Coverdales Leben nicht gerettet zu haben, nicht wahr? Sie haben mir ja meinen Bogen weggenommen, sonst hätte ich noch einmal den Helden spielen können. Und dann dieses Wetter «, fuhr er mit derselben Betonung fort, als wären der Regen und der Mord an Coverdale gleichwertige Beispiele für tägliche Plagen. Jetzt fiel mir auch auf, warum er verändert aussah; er schien sich einen Bart stehen lassen zu wollen. Sein attraktives Gesicht war mit Stoppeln bedeckt, aber bald würde dieser Bart dicht und voll sein.
    »Ihr lasst Euch einen Bart wachsen, Master Norris?«, bemerkte ich.
    »Nicht absichtlich«, entgegnete er, wobei er sich ärgerlich über das Kinn rieb. »Aber ich kann seit zwei Tagen mein Rasiermesser nicht mehr finden, und ich werde mein Kinn nicht noch einmal dem Universitätsbarbier anvertrauen. Er kann Verwundeten
auf einem Schlachtfeld die Gliedmaßen abnehmen – ich glaube, dort hat er auch sein Handwerk gelernt –, aber ich habe ihm ein Mal gestattet, mich zu rasieren, und dabei fast meine Nase eingebüßt. Was meint Ihr, Doktor Bruno – ob ein Bart mir steht? Bei Euch ist das ja der Fall, aber Ihr seid ein dunkler

Weitere Kostenlose Bücher