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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Typus …«
    »So ein Pech, Master Norris, dass Ihr Euer Rasiermesser ausgerechnet dann verloren habt, als Thomas es für Euch geschärft hatte«, schnitt ich ihm das Wort ab und spürte im selben Moment, wie er erstarrte. Als er wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme härter, als habe er sein geckenhaftes Gehabe abgelegt wie eine Schlange ihre alte Haut.
    »Wie bitte? Ist das jetzt ein Verbrechen? Und was geht Euch das an?« Er trat einen Schritt näher, sodass sein Gesicht nur noch wenige Zoll von meinem entfernt war. Ich meinte, aus seinem Tonfall eine unterschwellige Drohung herauszuhören.
    »Friede, Master Norris. Ich forsche nur im Auftrag des Rektors nach, wer Waffen im Turm aufbewahren könnte.«
    »Ein Rasiermesser ist keine Waffe«, erwiderte er höhnisch, dann starrte er mich lange an, und plötzlich schien er zu begreifen, worauf ich hinauswollte. Sein Blick heftete sich auf einen Punkt hinter mir, als hätte sich eine Erklärung, die nur er lesen konnte, in die Wand hinter meiner Schulter gebrannt. »Wollt Ihr damit sagen, dass Coverdale mit einem solchen Messer umgebracht wurde?«
    Als ich keine Antwort gab, nickte er. Seine Züge hatten sich verhärtet.
    »Verstehe. Und Ihr habt Thomas über mein Rasiermesser ausgefragt.« Seine Augen wurden schmal. »Nun, dann muss ich mit Thomas sprechen. Ihr findet mich später in meiner Kammer, wenn noch etwas ist, Doktor Bruno. Jetzt habe ich keine Zeit mehr.« Er entließ mich mit einem knappen Nicken, ehe er sich anschickte, den Hof zu überqueren. Ich wollte ihm gerade folgen, als eine Hand meinen Ärmel berührte. Ich drehte mich ungeduldig um. Lawrence Weston stand mit vor Eifer glänzenden
Augen vor mir. Der rothaarige Junge, der beim Essen aus der Bibel vorgelesen hatte, hielt sich an seiner Seite.
    »Ich sagte, ich würde ihn für Euch ausfindig machen, Doktor Bruno, und das habe ich auch getan«, strahlte Weston triumphierend. »Es war Ned, der Bibeljunge.« Er gab dem mageren Jungen einen Stoß. Ich sah Weston und seinen Freund verwirrt an.
    »Wer war was?«
    »Ned«, wiederholte Weston ungeduldig. »Er hat Doktor Coverdale während der Disputation eine Nachricht überbracht. Ihr habt mir einen Shilling versprochen«, fügte er so anklagend hinzu, als hätte ich schon versucht, ihn um seinen Lohn zu bringen.
    »Das ist richtig.« Ich griff nach der Börse an meinem Gürtel. Neds sommersprossiges Gesicht verzog sich missmutig.
    »Ich sehe nicht ein, warum du einen Shilling bekommen sollst, Weston«, protestierte er. »Du weißt ja gar nichts über die ganze Sache.«
    »Ich werde dir auch einen geben«, sagte ich rasch, um ihn zu beschwichtigen, dabei wünschte ich, ich hätte mich über den Wert der englischen Münzen informiert, bevor ich sie so großzügig verteilte ; ich hatte das Gefühl, den Preis zu hoch angesetzt zu haben. »Also? Wer hat dir aufgetragen, Doktor Coverdale am Samstag eine Nachricht zu überbringen und ihn verfrüht aus der Disputation zu rufen?«
    Erst jetzt bemerkte ich, dass ich den Jungen in meiner Aufregung bei den Schultern gepackt hatte und ihn leicht schüttelte. Er musterte mich mit einem verwirrten Stirnrunzeln.
    »Nun – er war es, Sir. Doktor Coverdale, meine ich.«
    »Was? Das ergibt doch keinen Sinn.«
    Ned zuckte die Achseln.
    »Mehr weiß ich nicht, Sir. Ehe wir am Samstag die Universität verließen, nahm er mich beiseite und gab mir ein Silberstück – er ist nicht so großzügig wie Ihr, Sir, ich meine, er war es nicht –, damit ich ihn unter dem Vorwand, eine wichtige Botschaft für ihn zu haben, nach der Hälfte der Zeit aus der Disputation hole.«
»Hat er einen Grund dafür genannt?«
    Ned schüttelte den Kopf.
    »Er sagte nur, er müsse früh zur Universität zurück und brauche eine Ausrede, um die Veranstaltung verlassen zu können.«
    »Er hat nicht erwähnt, dass er jemanden treffen wollte?«
    Ned zappelte ungeduldig unter meinen Händen.
    »Er sagte nichts weiter, Sir. Ich nahm mein Silberstück und tat, wie mir geheißen, und mehr wusste ich über die ganze Angelegenheit nicht – bis jetzt.« Plötzlich wurden seine Augen groß. »Glaubt Ihr, sie haben ihn erwischt, weil er früher als geplant zur Universität zurückkam?«
    »Hast du gesehen, ob er sich vor der Divinity School mit irgendjemandem getroffen hat, nachdem du ihm die Botschaft ausgerichtet hattest? Vielleicht mit einem Mann ohne Ohren?«
    »Nein, Sir, aber ich kenne den Mann, den Ihr meint.« Neds sommersprossiges Gesicht

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