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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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vorsichtig genug sein.«
    »Und ist es vielleicht manchmal erforderlich, Extrakopien von bestimmten Schlüsseln anfertigen zu lassen, damit einer zur Hand ist, wenn das Original und der Zweitschlüssel nicht auffindbar sind?« Ich griff nach meinem Bierhumpen.
    Slythurst stieß seinen Stuhl zurück und erhob sich abrupt.
    »Wenn Ihr mich etwas fragen wollt, Doktor Bruno, dann tut Euch keinen Zwang an«, knirschte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Aber legt zumindest Diskretion an den Tag – oder haltet Ihr Euch jetzt für unseren Inquisitor?« Er wandte sich nach links, um den Rektor in seinen wutentbrannten Blick mit einzuschließen, dann drängte er sich grob hinter meinem Stuhl vorbei und rauschte majestätisch aus der Hall, ohne sich noch einmal umzuschauen. Seine Robe wehte hinter ihm her. Das Geflüster an den niedriger gelegenen Tischen verstummte, während neugierige Augenpaare sich auf Slythursts Rücken hefteten, dann setzte es wieder ein.

    »Was ist denn in ihn gefahren?« Richard Godwyn sah von seinem Fleisch auf.
    »Vielleicht macht ihm diese neuerliche Tragödie zu schaffen«, meinte ich.
    Godwyn zwinkerte.
    »Wer weiß? Menschen sind schwerer zu lesen als Bücher. Vielleicht wird Walter von Reue geplagt.«
    »Reue?« Ich konzentrierte mich auf meinen Teller, um mir mein Interesse nicht anmerken zu lassen.
    »Er und James haben einander verabscheut«, bekannte Godwyn mit gedämpfter Stimme. »Vielleicht bereut Walter jetzt, wo James auf so grausame Weise zu Tode gekommen ist, manche Worte, die er nicht mehr zurücknehmen kann.«
    »Warum hassten sie sich denn?«
    Godwyn seufzte und schüttelte bekümmert den Kopf.
    »Das habe ich nie erfahren. Ich hatte den Eindruck, jeder wusste etwas Verhängnisvolles über den anderen, und sie waren durch ein Geheimnis unfreiwillig aneinandergekettet. Es ist immer gefährlich, einen solchen Pakt mit einem Feind zu schließen.«
    »Könnte es irgendwie mit den Landverpachtungen zusammenhängen ?«, fragte ich, da mir plötzlich das abrupt abgebrochene Gespräch beim Essen in der Wohnung des Rektors an meinem ersten Tag einfiel. Coverdale hatte angedeutet, der Quästor sei in Underhills Geschäfte mit Leicester verwickelt, der dem Rektor wertvolles Land zuschanzte. »Vielleicht wusste Doktor Coverdale von irgendwelchen korrupten Vorgehensweisen?«
    Godwyn richtete seine großen, traurigen Augen langsam auf mich.
    »Das halte ich für möglich. Ich weiß, dass James meinte, Gründe zu haben, Walter zu misstrauen – ausreichende Gründe, um zu versuchen, den Rektor dazu zu bewegen, ihn seines Amtes zu entheben.«
    »Coverdale hat versucht, Slythurst loszuwerden?«, flüsterte ich, um vom Rektor nicht gehört zu werden.
    »Er hat dem Rektor gesagt, er hielte Walter nicht für vertrauenswürdig –
das weiß ich aber nur, weil der Rektor mich nach meiner Meinung über Walter gefragt hat. Ich sagte, ich habe mich für den Mann nie erwärmen können, glaube aber nicht, dass er seine Pflichten vernachlässige.«
    »Coverdale hatte also Verdacht gegen ihn geschöpft – fand er, man solle ihm die Geldmittel der Universität nicht länger anvertrauen ?«
    »Das nehme ich an«, gab Godwyn unschuldig zurück. »Ich kann mir nicht denken, was sonst dahinterstecken sollte.«
    »Vielleicht irgendetwas, was mit seiner Religion zusammenhängt ?«
    Jetzt legte mir Godwyn warnend eine Hand auf den Arm. »Manche Fragen sollte man besser nicht laut aussprechen, Doktor Bruno. Ich habe keinen Anlass zu glauben, dass Walter Slythurst etwas anderes als ein loyaler Untertan der englischen Kirche ist. Aber wie dem auch sei, jetzt kann ihm nichts mehr geschehen – die Toten nehmen ihre Geheimnisse mit ins Grab.« Er hob den Kopf und sah kurz zum Fenster hinüber, dann wandte er sich wieder zu mir, legte sein Messer beiseite und dämpfte seine Stimme noch mehr. »Aber diese Geschichte von Räubern im Tresorraum – die bereitet mir Kopfzerbrechen.«
    »Ihr glaubt nicht daran?«
    »Hätte es sich um irgendeinen anderen Mann gehandelt, hätte ich sie vielleicht geglaubt, aber James – wisst Ihr, ich spreche ungern schlecht von einem verstorbenen Kollegen, aber jeder, der James kannte, hätte Euch bestätigt, dass er ein fürchterlicher Feigling war. Er ist der letzte Mann auf der Welt, der sich allein bewaffneten Dieben entgegengestellt hätte. Deswegen kommt mir das alles sehr seltsam vor.«
    »Habt Ihr eine Erklärung dafür?« Ich lehnte mich zu ihm.
    »Ich weiß es nicht«,

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