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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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hellte sich auf, als habe er soeben eine wichtige Prüfungsfrage beantwortet. »Es war Master Godwyn, der ihn vor der Divinity School getroffen hat, nicht Doktor Coverdale.«
    »Godwyn?«, wiederholte ich verständnislos.
    »Ja. Ich habe gesehen, wie er vor der Divinity School mit dem Mann, den Ihr meint, dem Buchhändler Jenkes, gesprochen hat, während ich darauf wartete, Doktor Coverdale die falsche Botschaft auszurichten. Aber danach bin ich Doktor Coverdale den ganzen Weg bis zur Universität zurück gefolgt. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich auch früher davonzumachen – entschuldigt, Sir«, fügte er betreten hinzu.
    Ich schüttelte nur den Kopf. »Du hast nichts verpasst, das versichere ich dir. Aber Coverdale – du hast gesehen, dass er direkt zu seiner Kammer gegangen ist?«
    »Ja, Sir. Das heißt, ich habe ihn das Treppenhaus betreten sehen.«
    »Und dir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen?«
    »Nein, Sir. Nur …«

    »Was?« Meine Stimme wurde lauter, als ich ihn drängend schüttelte.
    »Nun, ich bewohne eine Kammer über der Bibliothek, weil ich dort und in der Kapelle arbeite. So bezahle ich mein Studium, Sir«, erklärte er leicht verlegen. »Und als ich die Stufen hochstieg, hörte ich hinter der Tür Stimmen.«
    »In der Bibliothek? Wessen Stimmen?«
    »Ich weiß es nicht, aber ich hörte einen Mann, der verärgert klang. Ich konnte aber die Worte nicht verstehen, obwohl ich so leise wie möglich zu meiner Kammer schlich. Aber sie müssen mich trotzdem bemerkt haben, denn sie verstummten einen Moment lang. Als ich ein paar Minuten später hörte, wie die Bibliothekstür geschlossen wurde, schaute ich aus meinem Fenster in den Hof hinunter, um zu sehen, wer die Männer waren, damit ich sie Master Godwyn melden konnte.«
    »Könnte es Master Godwyn selbst gewesen sein, der ebenfalls früher zurückgekehrt war?«, fragte ich.
    »Das weiß ich nicht. Beide trugen Umhänge mit hochgeschlagenen Kapuzen, ich konnte sie nicht erkennen.« Er zuckte die Achseln, als sei dies nicht von Bedeutung.
    »Danke, Ned.«
    Ich gab ihn frei und suchte in meiner Börse nach einem weiteren Shilling. Wenn ich das nächste Mal Informationen benötigte, würde ich daran denken, nur ein Silberstück dafür zu zahlen. Ned griff grinsend nach der Münze. Als sich seine Faust um sie schloss, spähte ich über den Hof und sah Slythurst aus dem Treppenhaus treten, das zur Bibliothek und zur Kapelle führte. Er musterte mich mit unverhohlenem Abscheu und eilte dann durch den Regen in Richtung der Wohnung des Rektors. Meine Gedanken überschlugen sich. Also hatte Godwyn die Disputation ebenfalls verfrüht verlassen, um Jenkes zu treffen. Konnten sie gemeinsam zur Universität zurückgekehrt sein, um Coverdale zu suchen? Oder hatten sie anderes in der Bibliothek zu tun gehabt? Etwas, was mit diesen illegalen Büchern zusammenhing?

    Studenten und Fellows drückten sich weiterhin an uns vorbei, blickten in den Hof und überlegten, ob sie warten sollten, bis der Regen nachließ. Ich überwand mich, huschte ins Freie und schlug einen Bogen um die sich auflösende Studentenmenge. Am Turmgang hatte sich eine kleine Gruppe Schaulustiger versammelt, um voller Interesse die Ankunft von drei Männern in langen Umhängen und mit Dreispitzen auf dem Kopf zu beobachten, die sich das Wasser von den Schultern klopften. Einer hielt einen Amtsstab mit Messingknauf in der Hand. Das mussten die Constables und der Coroner sein, die gekommen waren, um Coverdales Leichnam abzuholen. Rektor Underhill stand hinter ihnen und rang sorgenvoll die Hände, während Slythurst versuchte, die neugierige Menge zurückzudrängen. Ich fragte mich, ob der Rektor dem Coroner von dem Martyrium des heiligen Sebastian berichten oder es ihm überlassen würde, seine eigenen Schlüsse zu ziehen.
    »Dio buono, amico mio  – was für ein Tag!«, rief eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah mich John Florio gegenüber, der seinen Umhang enger um sich schlang, als bereite er sich darauf vor, dem Wetter zu trotzen. »Solchen Regen kennt Ihr in Neapel vermutlich nicht?«
    »Noch nicht einmal Noah dürfte einen solchen Regen erlebt haben«, erwiderte ich grimmig mit einem Blick gen Himmel.
    »Wollt Ihr ausgehen?« Er nahm mich am Arm und bedachte mich mit einem eigenartig erwartungsvollen Blick, als ich ihm in die St. Mildred’s Lane hinaus folgte. »Vielleicht können wir gemeinsam gehen«, fuhr er eifrig fort, ohne auf eine Antwort zu warten. »Ich

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