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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Ich packte ihn am Arm und zog ihn näher zu mir. Von den über uns hängenden Balken plätscherte Wasser auf den schlammigen Untergrund, und ich musste meine Stimme heben, um verstanden zu werden. »Warum seid Ihr nicht zu mir gekommen und habt unter vier Augen mit mir gesprochen?«
    Er senkte wie beschämt den Blick.
    »Es ist eine heikle Angelegenheit, Doktor Bruno – ich dachte, ich schlage lieber den formellen Weg ein. In solchen Dingen muss man Anstand wahren.«
    »Zur Hölle mit dem Anstand, Florio, zwei Männer sind tot, und es könnten noch weitere folgen.«
    Florio wirkte erst verdutzt, dann verängstigt.
    »Aber Bruno, glaubt Ihr, dass noch weitere Menschen sterben werden? Wie kommt Ihr darauf?«
    »Das können wir nicht wissen, bevor wir herausgefunden haben, was diese zwei Opfer verbindet und wo die Motive des Mörders liegen, nicht wahr? Und ich denke, Ihr habt mir etwas zu sagen, das Licht in das Dunkel bringt, habe ich recht?«
    Florio starrte mich verständnislos an, doch ehe er etwas erwidern konnte, wurde die Tür neben uns geöffnet. Rowland Jenkes erschien auf der Schwelle seines Ladens und musterte uns mit seinem üblichen Ausdruck belustigter Gleichgültigkeit.
    »Buongiorno, signori «, sagte er mit seinem gebildeten Akzent, der so gar nicht zu seinem verwüsteten Gesicht passen wollte, und verneigte sich leicht, was ich als Sarkasmus wertete. »Das ist kein Wetter, um vor der Tür zu stehen, Master Florio. Kommt doch herein, und bringt Euren Freund mit.« Er trat zurück und bedeutete uns mit großer Geste einzutreten. Florio sah mich einen Moment lang an, dann klopfte er seinen Umhang ab und betrat den Laden.

14
    Der Raum, in den wir gelangten, lag unterhalb der Straße, sodass wir drei Stufen hinuntersteigen mussten. Sie waren mit Binsen bestreut, die das aus unseren Kleidern tropfende Regenwasser rasch aufsogen. Die niedrige Decke mit den dunklen Balken ließ den Laden klein und vertraut erscheinen. Florio und ich konnten, da wir beide relativ klein waren, aufrecht stehen, aber Jenkes musste sich bücken, um sich nicht den Kopf anzustoßen, was ihm einen Anschein von Unterwürfigkeit verlieh, so, als würde er sich ständig leicht verneigen. Im Raum war es dämmrig, durch die schmutzigen Fenster fiel kaum Licht, aber in einem Wandhalter brannten einige Kerzen. Sie waren aus gutem Wachs gezogen, denn sie verströmten nicht den beißenden Gestank der billigen Talgkerzen in meiner Kammer im Lincoln. Tatsächlich roch es in diesem Laden heimeliger als an jedem anderen Ort in Oxford – nach Büchern, Leder, Papier, altem Pergament und Tinte, ein Gemisch, das mich mit einem plötzlichen Anflug von Wehmut an das Skriptorium von San Domenico Maggiore denken ließ, in dem ich so viele Stunden meiner Jugend verbracht hatte.
    Geschnitzte hölzerne Regale zogen sich an den Wänden entlang. Jedes war vom Boden bis zur Decke mit nach Größe geordneten, in Leder gebundenen Bänden gefüllt, deren Messingklammern im Kerzenschein schimmerten. Auf der Werkbank, neben der Jenkes stand, sich die Hände rieb und Florio und mich mit einem Ausdruck gieriger Vorfreude betrachtete, reihten
sich andere Ausgaben aneinander – einige hatten Einbände aus in Kalbsleder eingeschlagenen Holzbrettern, die verhindern sollten, dass das Pergament sich kräuselte, andere die neuartigen Pariser Einbände aus doppelter Pappe für leichtere Bücher aus Papier, die keiner Messingklammern bedurften, sondern mit Lederriemen oder Bändern zusammengehalten wurden. Alle waren wie die Bücher in der Bibliothek des Lincoln mit einer an einer Stange unter der Bank befestigten Messingkette gesichert. Hinter dieser Bank gab es eine weitere Tür, hinter der sich ein größerer, aber auch nicht besser beleuchteter Raum befand, bei dem es sich anscheinend um Jenkes’ Werkstatt handelte. Ich meinte, einen Schatten davonhuschen zu sehen, und nahm an, dass dort der Lehrling des Buchbinders arbeitete.
    »Und dies ist Signor Filippo Nolano, nicht wahr?«, begrüßte mich Jenkes mit einem katzenhaften Lächeln und hielt mir eine überraschend schmale Hand hin, die ich zögernd ergriff, da ich Florios neugierigen Blick auf mir ruhen fühlte. »Ich habe mich schon gefragt, wann Ihr hier auftauchen würdet, nachdem Ihr mir gestern vom Catherine Wheel aus gefolgt seid.«
    »Ich … das ist …« Ich wusste nicht, wie ich auf diese Anschuldigung reagieren sollte, vor allem deshalb nicht, weil sich Florios Augen in meinen Rücken

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