Ketzer
wandte sich an mich.
»Ich muss Euch bitten, über etwas Stillschweigen zu bewahren,
Bruno«, flüsterte er, legte eine Hand auf meinen Arm und sah mich eindringlich an.
Ich nickte mit angehaltenem Atem, da ich dachte, er würde sich auf seine Nachricht beziehen, wir waren ja vorhin unterbrochen worden.
»Ich habe mir eine große Aufgabe aufgebürdet, dank derer mein Name der Nachwelt ebenso erhalten bleiben wird wie der des großen humanistischen Genies, dem ich diene – ein weit größeres Werk als meine lächerliche Sammlung von Sprichwörtern, muss ich bekennen.« Seine Augen leuchteten auf. »Ich werde den englischen Lesern die Essays Michel de Montaignes nahebringen.«
»Weiß er davon?«, erkundigte ich mich.
Florio senkte beschämt den Blick.
»Ich habe dem großen Mann geschrieben und ihm meine bescheidenen Dienste als Übersetzer angeboten, aber es stimmt, ich habe noch keine Druckerlaubnis von ihm«, bekannte er. »Ich habe Master Jenkes gebeten, mir die französischen Ausgaben zu bestellen; ich wollte Monsieur de Montaigne eine Kostprobe meiner Arbeit senden, ich hoffe, so seine Zustimmung zu erlangen. Aber wie Ihr Euch sicher vorstellen könnt, wird mein Vorhaben viel Zeit und Geld kosten, und daher versteht Ihr vielleicht, warum ich Euch so schreiben musste, wie ich es getan habe …«
»Welches Buch Ihr auch sucht, aus welchem Land es auch stammt – wendet Euch an Rowland Jenkes, und wenn ich es nicht finde, dann existiert es nicht«, verkündete Jenkes, der wieder aus dem Dunkeln hervorkam. In jeder Hand hielt er ein in Kalbsleder gebundenes dünnes Buch. Er bedachte mich mit einem verschwörerischen Blick. »Jedes Buch, Doktor Bruno, wenn der Preis stimmt.« Seine Augen wanderten viel sagend zu meinem Gürtel, an dem Walsinghams Börse unter meinem Wams verborgen hing. Ich reagierte mit keiner Bewegung auf diesen Blick, fühlte mich aber plötzlich nackt und bloß; er schien bereits mehr über mich zu wissen, als ich gedacht hatte, und ich fragte mich, ob Bernard seine Quelle war.
Er reichte Florio die beiden Bände, die dieser sich in die Armbeugen klemmte und so liebevoll betrachtete wie neugeborene Zwillinge.
»Ihr bezieht also viele Bücher aus den Niederlanden?«, fragte ich so beiläufig, wie es mir möglich war.
»Aus Frankreich, den Niederlanden – auch aus Spanien und Italien, wenn die Nachfrage danach besteht. Viele Männer in Oxford hegen den Wunsch nach Manuskripten, die nur aus dem Ausland zu beziehen sind. Und manchmal ergibt sich auch die Möglichkeit, den umgekehrten Weg zu nehmen.« Er fixierte mich mit seinem halb vielsagenden, halb spöttischen Blick, als würde er mich insgeheim abschätzen. »Aber ich nehme an, davon habt Ihr bereits gehört, Bruno. Vielleicht erklärt das, warum Ihr mir gefolgt seid.«
Ich gab keine Antwort. Florio hatte begonnen, erregt von einem Fuß auf den anderen zu hüpfen. Sein Gesicht war so verzerrt, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen.
»Was gibt es denn, mein lieber Florio?«, erkundigte sich Jenkes freundlich.
»Ich … es ist nur so, dass ich nicht mit zwei Bänden zugleich gerechnet habe, Master Jenkes, und ich fürchte, ich kann nicht … Ich meine, kann ich einen für einen oder zwei Monate in Eure Obhut geben, aber ich bitte Euch, ihn nicht anderweitig zu verkaufen, denn ich werde das Geld schon auftreiben, doch …«
Jenkes wischte die Entschuldigung mit einer Geste beiseite.
»Ich habe keinen Platz für bestellte und nicht abgeholte Bücher, Florio. Besser, Ihr nehmt beide mit und bezahlt sie, sobald Ihr könnt.«
Florio strahlte wie ein Kind, das Zuckerwerk geschenkt bekommen hatte.
»Danke, Master Jenkes. Ihr werdet nicht lange auf Euer Geld warten müssen, vor allem dann nicht, wenn sich gewisse Dinge so entwickeln, wie ich hoffe.« An dieser Stelle warf er mir einen auffordernden Blick zu, wie um anzudeuten, dass ich verstehen müsste, was er meinte.
Er irrte sich jedoch, ich tappte nach wie vor völlig im Dunkeln. Wenn dies eine Anspielung auf die rätselhafte Nachricht war, wollte er dann damit sagen, dass er hoffe, von den Todesfällen am Lincoln zu profitieren? Ich konnte ihn nur verständnislos anstarren, während er in seiner Börse nach den mitgebrachten Münzen kramte.
»Nun denn, Bruno – unser Geschäft ist abgewickelt«, sagte er, nachdem er bezahlt und seine Neuerwerbungen zum Schutz vor dem Regen sorgfältig in Ölpapier verpackt hatte. »Sollen wir der Flut erneut
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