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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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bohrten.
    Jenkes winkte lässig ab.
    »Nun, das ist ja auch egal. Aber Signor Nolano, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass unser Freund Signor Florio sich wundert, weil ich Euch so anrede. Vielleicht kennt er Euch unter einem anderen Namen?« Er hob theatralisch eine Braue und legte die Fingerspitzen gegeneinander. Er hatte die Angewohnheit zu sprechen, fast ohne die Lippen zu bewegen, sodass jeder Satz eigenartig verschwörerisch wirkte.
    Ich sah ihm in die Augen, wohl wissend, dass ich mich im Nachteil befand – nicht nur, weil ich nass bis auf die Haut in seinem Laden stand, sondern auch, weil er es sich eindeutig zum Ziel gesetzt hatte, so viel wie möglich über mich herauszufinden, während ich gemeint hatte, mich auf seine Spur geheftet zu haben.

    »Ich habe viele Jahre lang Gegenden bereist, wo es sich nicht empfahl, seinen wahren Namen zu nennen.« Ich straffte mich in dem vergeblichen Versuch, würdevoll zu wirken. »Das gewöhnt man sich schnell an, wenn man sich unter Fremden aufhält.«
    Jenkes lächelte.
    »Ein Mann würde vieles auf sich nehmen, um der Inquisition zu entgehen, nicht wahr, Doktor Bruno?«
    Ich nickte bedächtig; bemüht, keinerlei Überraschung zu zeigen. Florio musterte mich immer noch verwirrt.
    »Ich hoffe, Ihr werdet uns nicht lange als Fremde betrachten. Aber selbst in unserem wundervollen Reich gibt es Orte, wo ein Mann seine Zunge hüten sollte. Was hat Euch eigentlich in das Catherine Wheel geführt?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Ich hatte Hunger, sah das Schild und wollte mir eine warme Mahlzeit bestellen.«
    Bei diesen Worten warf Jenkes den Kopf in den Nacken und brach in schallendes Gelächter aus, wobei er schiefe Zähne entblößte.
    »Ihr habt Eure Lektion dort sicher schnell gelernt, denke ich, obwohl es ziemlich boshaft war, dem jungen Humphrey zu sagen, Ihr würdet das Essen noch nicht einmal Eurem Hund geben.« Er hörte so abrupt auf zu lachen, wie er begonnen hatte. Schweigen hing im Raum.
    »Ihr sprecht Italienisch?«, fragte ich endlich.
    »Ich spreche sieben Sprachen, Doktor Bruno, obwohl das niemand glauben würde, der mich ansieht, oder? Ich habe nicht unbedingt das Gesicht eines Gelehrten. Aber Ihr seid nicht so dumm, einen Mann nach seinem Äußeren zu beurteilen, schätze ich, und Ihr scheint mir auch nicht der zu sein, der Ihr zu sein vorgebt. Wisst Ihr, was man in Oxford über mich sagt?«
    »Nein«, gab ich kurz angebunden zurück. Er war ganz eindeutig stolz auf seinen schlechten Ruf, und ich wollte seiner Eitelkeit nicht noch mehr schmeicheln. Zufrieden nahm ich zur Kenntnis, dass er enttäuscht wirkte.

    »Man nennt mich einen Schüler des Teufels, Bruno«, teilte er mir mit einem Lächeln auf den dünnen Lippen mit. »Es gibt Volkslieder über mich, mit denen man Kinder erschreckt. Es heißt, ich hätte mit einem Fluch dreihundert Menschen getötet. Was sagt Ihr dazu?«
    »Ich sage, dass sich Flecktyphus unter bestimmten Umständen sehr rasch ausbreiten kann«, erwiderte ich gleichmütig.
    »Ihr habt natürlich recht. Aber warum blieb ich verschont?«
    »Weil Ihr anscheinend das Naturell eines Ochsen habt«, konterte ich, dabei betrachtete ich die wulstige, knotige Haut über den Stellen, an denen einst seine Ohren gewesen waren. »Ihr seid genauso wenig ein Hexenmeister wie ich oder Florio hier.«
    »Genauso wenig ein Hexenmeister wie Ihr?« Jenkes musterte mich einen Moment lang, dann brach er erneut in eine seiner plötzlichen Lachsalven aus. »Ich mag Euren Freund, Signor Florio, er ist ein richtiger Spaßvogel«, meinte er nachsichtig. Der arme Florio fühlte sich angesichts der unterschwelligen Feindschaft zwischen mir und Jenkes sichtlich unwohl in seiner Haut und sah nervös von einem zum anderen.
    »Ist mein Montaigne eingetroffen, Master Jenkes?«, erkundigte er sich dann. »Das will ich doch sehr hoffen, da ich mich eigens deswegen bei diesem tückischen Wetter auf den Weg zu Euch gemacht habe.«
    »Tückisch, in der Tat.« Jenkes bedachte mich flüchtig mit seinem rätselhaften Lächeln. »Ich habe letzte Woche zwei Bände erhalten, lieber Florio, und trotz des grässlichen Wetters ist der Karren mit der Ladung am Samstag sicher aus Plymouth angekommen. Ich lasse mir nicht nachsagen, die zu enttäuschen, die Vertrauen in meine Fähigkeiten setzen. Wenn Ihr einen Moment warten wollt, werde ich sie holen.« Er verneigte sich erneut leicht und duckte sich dann unter der Tür hindurch, die zu seiner Werkstatt führte.
    Florio

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