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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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trotzen?«
    »Einen Moment bitte«, warf Jenkes ein, als ich die Wasserströme betrachtete, die noch immer an den Scheiben herabrannen. Der Himmel schien sich noch mehr verdunkelt zu haben. »Ich möchte Euch nicht aufhalten, Master Florio, aber ich hätte noch etwas Geschäftliches mit Doktor Bruno zu besprechen, wenn er mir ein paar Minuten seiner Zeit opfern kann.« Er hob erneut eine Braue, um anzudeuten, dass er nicht gewillt war, in Florios Gegenwart mehr zu sagen. Dieser zögerte, erinnerte sich dann aber wohl an den großzügigen Kredit, den Jenkes ihm soeben gewährt hatte, und entschied sich, den Wink zu beherzigen.
    »Natürlich, aber ich muss zur Universität zurück. Doktor Bruno, wenn wir auf dem Rückweg nicht ertrinken, wollen wir uns dann heute Abend weiter unterhalten?«
    Ich nickte. Florio presste sein Päckchen fester gegen die Brust, schlug die Kapuze seines Umhangs hoch und trat mit einem letzten schwer zu deutenden Blick auf mich in den Regen hinaus.
    Ich blieb allein mit Jenkes in dem Laden zurück und erschauerte unwillkürlich, als sich die Tür hinter Florio schloss. Durch meine nassen Kleider kroch mir die Kälte in die Knochen, dazu kam der eindringliche Blick des Buchbinders, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    »Kommt – wenn Ihr dort stehen bleibt, werdet Ihr Euch das Fieber holen, und die Leute werden behaupten, ich hätte Euch
verflucht.« Mit einem leichten Lächeln deutete Jenkes auf die hintere Tür. »Hier können wir ungestört miteinander reden, Doktor Bruno, und Ihr könnt Euch aufwärmen. Ich werde süßen Wein heiß machen.« Er trat zu der Tür, die zur Straße führte, nahm einen Schlüsselring von seinem Gürtel und schloss sie ab. Als er merkte, dass ich zögerte, drehte er sich wieder zu mir. »Ich trinke auch gern als Erster davon, wenn Euch das sicherer erscheint. Aber ich dachte, Ihr glaubt nicht an meine übernatürlichen Fähigkeiten?«
    Der wachsame Funke in seinen Augen machte kurz Selbstironie Platz. Unwillkürlich gab ich das Lächeln zurück, als ich ihm in den hinteren Raum folgte. Vielleicht hätte ich vorsichtiger sein sollen, aber ich gab nichts auf oberflächliches Geschwätz, und irgendetwas an Rowland Jenkes faszinierte mich so, dass ich bereit war, mich mit ihm in einem Raum einschließen zu lassen, nur um mehr über ihn in Erfahrung zu bringen. Als ich über die Schwelle trat, sah ich aus den Augenwinkeln einen sich bewegenden Schatten. Am Kamin, in dem ein Feuer prasselte, stand Doktor William Bernard und musterte mich mit vor der Brust verschränkten Armen.
    »Meine Werkstatt – Doktor Bernard kennt Ihr ja.« Jenkes fuhr mit der Hand durch die Luft, schenkte Bernard aber nicht mehr Beachtung als einem seiner Möbelstücke. An drei Wänden befanden sich lange, mit Büchern und Manuskripten in verschiedenen Reparaturphasen übersäte Werkbänke. Leder, Kalbshaut und Leinenstücke warteten darauf, zugeschnitten zu werden. Einige Manuskripte schienen sehr alt zu sein und wurden jetzt dank der Buchbinderkunst für spätere Generationen bewahrt. In der Ecke gegenüber dem Kamin standen zwei eisenbeschlagene, mit Vorhängeschlössern versehene Truhen im rechten Winkel zueinander.
    »Wie ich sehe, betreibt Ihr mit einigen Fellows des Lincoln Geschäfte?« , bemerkte ich, dabei nickte ich Bernard grüßend zu.
    »Ich bin Buchbinder und Buchhändler, Doktor Bruno. Natürlich
betreibe ich mit den Doktoren der Universität Geschäfte. Wovon sollte ich denn sonst leben?«
    »Zählt Master Godwyn, der Bibliothekar, auch zu Euren Kunden?«
    »Selbstverständlich«, erwiderte Jenkes glatt. Seine seltsam leuchtenden Augen wichen nicht von meinem Gesicht. »Er hat mich des Öfteren damit beauftragt, Bücher aus seiner Sammlung zu reparieren.«
    »Und James Coverdale?«
    Jenkes wechselte einen Blick mit Bernard.
    »Ah ja. Der arme Doktor Coverdale. William hat mir gerade berichtet, dass er einem Anschlag zum Opfer gefallen ist. Dass so etwas in Oxford geschehen kann.« Er presste eine Hand gegen seine Brust und schüttelte betrübt den Kopf, aber irgendetwas an seinem Verhalten verriet mir, dass er sich über mich lustig machte. Ich wollte ihn weiter über seine Beziehung zu Godwyn und Coverdale ausfragen, aber Bernards scharfer, finsterer Blick ließ mich zögern.
    »Hier ist etwas, bei dessen Anblick Euch das Herz bluten wird, Doktor Bruno.« Jenkes nahm einen kleinen Band von einer der Bänke und reichte ihn mir. Es war ein Stundenbuch im

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