Ketzer
sind – sind sie durch Eure Hände gegangen?«
»Viele davon ja.« Jenkes schielte flüchtig zu Bernard hinüber, dann lehnte er sich gegen seine Werkbank und faltete die Hände. »Einige der übereifrigeren Bibliothekare haben sie verbrannt, um sich bei den Inspektoren einzuschmeicheln, aber die, die den Wert von Büchern zu schätzen wussten, brachten sie zu mir, damit ich sie weiterleite.«
Ich drehte mich zu Bernard um, der keinerlei Regung zeigte.
»Habt Ihr auch Bücher aus der Bibliothek des Lincoln erhalten ?«
»Ich erinnere mich an jedes Buch, dass ich je in der Hand gehalten habe, Doktor Bruno. Ihr scheint daran zu zweifeln, aber ich versichere Euch, dass das keine Prahlerei ist. Als ich zu Master Florio sagte, ich könne jedes Buch beschaffen, wenn der Preis stimmt, entsprach das ebenfalls der Wahrheit.« Sein Blick heftete sich wieder auf die Börse an meinem Gürtel, und diesmal bedeckte ich sie instinktiv mit einer Hand, als wäre ich nackt und müsste meine intimsten Körperteile schützen. »Habt Ihr vielleicht ein bestimmtes Buch im Sinn?«
Er spielte mit mir wie eine Katze mit der Maus, und seine wiederholten Anspielungen auf das Geld, das ich bei mir trug, flößten mir Unbehagen ein. Ich verwünschte mich dafür, an der Universität mit Walsinghams Börse nicht diskreter umgegangen zu sein. Nun, ich hatte zugelassen, dass er mich in seinem Laden einschloss; wenn er mich ausrauben wollte, konnte ich nur versuchen, mich so gut wie möglich zu verteidigen. Ich musterte die Werkbank, um zu sehen, wie schnell ich nach einem Messer greifen konnte, falls ich eines benötigte. Als habe er meine Gedanken gelesen, streckte Jenkes eine Hand aus, nahm ein kleines Messer mit silbernem Griff von der Bank und begann sich mit der Spitze die Fingernägel zu säubern.
»Ihr könnt ganz offen sprechen, Bruno, um welches Werk es sich auch handelt und als wie gefährlich die Behörden oder die Kirche es einstufen mögen, Ihr könnt mich nicht schockieren.«
»Ihr glaubt also nicht an Ketzerei?«, fragte ich, das Messer wachsam im Auge behaltend.
»Oh, Ihr missversteht mich.« Jenkes trat so plötzlich auf mich zu, dass ich unwillkürlich zurückwich. Die eigenartigen Augen blitzten bedrohlich auf. »Ich glaube sehr wohl daran. Es gibt eine absolute Wahrheit, und alles andere ist Ketzerei. Es gibt die wahre, vom Sohn Gottes gegründete Kirche, und dann gibt es jene blasphemische Scheußlichkeit, die von einem fetten, verkrüppelten
Hurensohn gegründet wurde, der seinen Schwanz nicht in der Hose behalten konnte, und die jetzt von seinem häretischen Bastard regiert wird. Ich glaube nicht, dass man einem Mann verbieten sollte, ein Buch zu lesen, wenn er die Weisheit besitzt, es zu verstehen, aber das heißt nicht, dass ich unsicher bin, wo die Wahrheit zu suchen ist. Die Frage ist, seid Ihr es?«
»Ich verstehe nicht, was Ihr meint«, wich ich aus. Meine Schultern spannten sich an.
»Ich denke, Ihr versteht sehr gut.« Seine Stimme klang freundlich, aber sein Blick war immer noch stahlhart. Langsam schob er sich zwischen mich und die Tür zum Laden. Ich spürte, wie mir trotz meiner klammen Kleider der Schweiß ausbrach. Wieder sah ich zu Bernard hinüber, der noch immer so ungerührt am Feuer stand, als sei er kein Bestandteil der Szene, die sich gerade hier abspielte. In seiner langen schwarzen Robe, mit seinem dünnen Hals und der lockeren Haut wirkte er wie ein großer Raubvogel, der darauf wartet, was er erbeuten kann, sowie sich der von anderen Jägern aufgewirbelte Staub verzogen hat.
»Ich möchte nur wissen, auf welcher Seite Ihr steht, Bruno«, fuhr Jenkes fort.
»Ich war mir nicht bewusst, dass von mir verlangt wird, eine Seite zu wählen«, entgegnete ich. »Vielleicht finde ich die Idee als solche einfach zu grob vereinfachend.«
Jankes brach in schallendes Gelächter aus, das von den Wänden widerhallte.
»Werdet Ihr das dem Engel am Tag des Jüngsten Gerichts sagen? Wenn der Gottessohn zurückkehrt, um die Böcke von den Schafen zu trennen, werdet Ihr dann behaupten, zu keinem von beiden zu gehören, weil Ihr die Idee viel zu vereinfachend findet?« Abrupt schleuderte er das Messer von sich. Es landete klirrend zwischen den Gerätschaften auf der Bank. Jenkes trat näher und legte mir sacht eine Hand auf die Schulter. Ich wappnete mich für einen Angriff, rührte mich aber nicht. »Ihr seid mir ein Rätsel, Doktor Bruno, wisst Ihr das?« Sein Blick wanderte
über mich hinweg, als könne
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