Ketzer
Bruno, unseres größten Erzbischofs von Canterbury. Es heißt, König Henry II. hätte in einem frustrierten Moment in Gegenwart seiner Edelleute ausgerufen: ›Wer befreit mich von diesem lästigen Priester?‹ Es war eine rhetorische Frage, aber sie verstanden sie als Befehl, und so wurde Beckett zum Entsetzen des Königs von einem Schwert durchbohrt. Diesen Fehler habe ich gleichfalls begangen, Doktor Bruno. Ich habe bezüglich des armen Roger Mercer etwas Ähnliches gemurmelt, und mein ergebener Diener hier«, ein höhnischer Blick traf Thomas, »beschloss, das auf seine Weise zu interpretieren.«
»Ich habe von Euch keine Einwände gehört, Vater «, erwiderte Thomas ruhig. »Damals wart Ihr mir für meine Hilfe dankbar.«
Jerome zuckte unbeeindruckt die Achseln.
»Ich gestehe, dass der Gedanke, mir – und Sophia – die Schande zu ersparen, der Roger Mercer uns aussetzen wollte, sehr verlockend erschien.« Er wandte sich wieder zu mir. »Aber da Ihr Euch in diesem Fall sowohl zum Constable als auch zum Richter aufgeschwungen zu haben scheint, Bruno, solltet Ihr die Beweise genauer untersuchen. Thomas ist ein ebenso guter Schauspieler wie ich. Er hat Euch jedenfalls gründlich eingewickelt, wie es scheint. Er mag ja hasenherzig und nervös wirken, aber er ist so gerissen wie der Satan persönlich.«
Thomas gab seinen Blick mit undurchdringlicher Miene zurück.
»Er schwor, er würde eine Lösung für unsere Probleme finden«, fuhr Jerome fort. »So lauteten seine Worte. Ich nahm sein
Angebot an und sagte, ich wolle nichts mehr davon hören, bis die Angelegenheit erledigt sei. Daher hatte ich keine Ahnung, dass er die Nappers überredet hatte, ihm beim Stehlen eines Hundes behilflich zu sein. Ich war an jenem Abend auf dem Rückweg von der Messe, als ich den Tumult hörte, und rannte los, um meinen Bogen zu holen. Erst da erfuhr ich, was für ein kunstvolles Szenario er sich hatte einfallen lassen.« Er verzog angewidert die Lippen.
»Aber warum?«, fragte ich Thomas, während ich versuchte, alle Schlüsse zu revidieren, zu denen ich gelangt war. »Warum habt Ihr einen Mann auf diese Weise getötet, obwohl Ihr gar nicht sicher sein konntet, dass Euer Plan aufgeht?«
»Märtyrer !«, spie Thomas, als würde das bloße Wort ihn abstoßen. »Das ist bei ihnen zu einer Besessenheit geworden. Alle wollen für ihren Glauben zu Märtyrern werden oder behaupten es zumindest. Der höchste Ruhm, sagen sie.« Seine Stimme wurde schrill, und er schüttelte wild den Kopf. »Sogar mein Vater strebt nach der Märtyrerkrone, wie es aussieht. Was für eine Religion ist das, Doktor Bruno, die Männer den Tod dem Leben vorziehen lässt? Wo bleibt denn da die Liebe? Und wo die menschliche Güte?«
Ich war versucht, ihn darauf hinzuweisen, dass ein Mann, der einen ausgehungerten Jagdhund auf den besten Freund seines Vaters losgelassen hatte, nicht unbedingt geeignet war, von menschlicher Güte zu sprechen, aber ich schwieg. Thomas deutete auf Sophia. »Die Liebe einer Frau wie Sophia errungen zu haben, die Aussicht auf neues Leben in ihrem Schoß …«
»Thomas!«, rief Sophia und sprang vor, doch Jerome hielt sie mit erhobener Hand auf.
»Aber diese … diese Kreatur «, explodierte Thomas, mit einem Finger vor Jeromes Gesicht herumfuchtelnd, »wirft das alles weg, er bewahrt seine Gefühle für die Klinge des Henkers auf!« Seine Stimme zitterte vor aufgestauter Leidenschaft. »Also dachte ich, gut, geben wir ihnen einen Vorgeschmack vom Märtyrertum. Der Rektor hatte gerade eine Predigt über den Tod
des heiligen Ignatius gehalten. Die Zähne von Bestien. Es schien mir ein guter Weg, Roger zu seinem Schöpfer zu senden.« Er stieß ein Lachen aus, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Nach den Qualen, die mein Vater seinetwegen erlitten hat, war es das Mindeste, was er verdiente.«
Auf diesen Ausbruch folgte eine an den Nerven zerrende Stille, während seine Worte im Raum verklangen. Sophia, Jerome und ich starrten Thomas einen Augenblick voller Entsetzen an.
»Und da jeder der Universitätsangehörigen scharf beobachtet wurde, begann ich um meine Sicherheit zu fürchten. Was eine ganze Zeit lang in deiner Absicht lag, nicht wahr, mein Freund?«, fügte Jerome sanft hinzu, hob den Kopf und sah Thomas an, der seinem Blick ohne mit der Wimper zu zucken standhielt. Ich beobachtete beide. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt; ich wusste nicht, wann Thomas furchteinflößender war: wenn er vor Energie
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