Ketzer
ein. »Vor allem die Jesuiten nicht.«
Jerome nickte, als wäre er gegen seinen Willen beeindruckt.
»Sehr gut, Bruno, Ihr habt gründlich gearbeitet. Ja, ich wurde in Rom zum Jesuiten geweiht und bin durch das Seminar in Reims zu der englischen Mission gekommen. Thomas’ Vater brachte mich nach Oxford; es war seine Aufgabe, die Ankunft von Priestern in Oxfordshire zu koordinieren, sichere Häuser ausfindig zu machen und für Vorräte und Verkleidungen zu sorgen. Diese Rolle hat Roger Mercer nach Edmunds Verbannung übernommen. Aber ich schätze, das wisst Ihr bereits.«
»Ich habe erst vor kurzem begonnen, die Zusammenhänge zu verstehen«, räumte ich ein. »Eure Maske war ausgezeichnet.«
»Maske ?« Thomas spie das Wort fast aus. Seine Augen glänzten kalt. »Das war keine Verkleidung. Er hat sich so gegeben, wie er immer war: als Sohn einer reichen Familie, der immer erwartet hat, dass alle nach seiner Pfeife tanzen! Sich den Jesuiten anzuschließen war für ihn nur ein weiteres Abenteuer. Seine Maske , wie Ihr es nennt, war so sehr ein natürlicher Teil von ihm, dass er am Ende darüber seine Mission vergessen hat!«
Thomas sandte einen viel sagenden Blick in Sophias Richtung. Jerome hatte zumindest den Anstand, verlegen auszusehen.
»Und er ist der Versuchung erlegen«, murmelte ich, sah zuerst Jerome und dann Sophia an und erinnerte mich an das in Sophias Matratze eingenähte Stundenbuch mit der intimen Widmung, das der Rektor gefunden hatte. »J«. Also nicht Jenkes, sondern Jerome. Demnach musste es auch Jerome gewesen sein, den Roger Mercer am Samstagmorgen im Garten hatte treffen wollen, stattdessen hatte er einen grausamen Tod erlitten.
»Aber Roger Mercer hat Euch entlarvt.« Ich hielt dem Blick des Jesuiten stand, obwohl sich meine Kehle bei dem Gedanken zuschnürte, dass der gesuchte Mörder nur wenige Fuß von mir entfernt stand. »Und ich dachte, er wäre wegen dieser Papiere getötet worden.«
Jeromes Augen weiteten sich, er trat vor, und sein leicht belustigtes Gebaren fiel von ihm ab.
»Wie habt Ihr von den Papieren erfahren?«, wollte er wissen. Zum ersten Mal seit unserer Ankunft wirkte er merklich verunsichert.
»Ich habe sie gesehen«, erwiderte ich ruhiger, als ich mich fühlte.
»Wo?«
»In der Truhe in Eurer Kammer, wo Ihr sie versteckt habt.«
»In meiner … « Er wirbelte herum und starrte nun Thomas ungläubig an. »Aber du sagtest doch …«
»Roger Mercer hat die beiden eines Nachts im Hain überrascht«, verkündete Thomas mit Gift in der Stimme. Mir fiel auf, dass er seine rechte Hand unter seinen Umhang geschoben hatte. »Sophia pflegte den Schlüssel aus dem Arbeitszimmer ihres Vaters zu stehlen. Mercer war entsetzt, wie Ihr Euch sicher vorstellen könnt. Am nächsten Tag platzte er in unsere Kammer, er schäumte vor Wut und erinnerte Vater Jerome daran, wie viele Katholiken in Oxford seinetwegen ihr Leben riskierten, und sagte, er werde nicht länger die Sakramente von einem Priester entgegennehmen, der in Todsünde lebe, und er könne auch nicht zulassen, dass die anderen Mitglieder unseres Zirkels dies unwissentlich täten. Also habe er keine andere Wahl, als Jerome dem obersten Jesuiten zu melden.«
»Ich habe gehört, die Jesuiten würden ohne Gnade gegen jene vorgehen, die ihrer Mission im Weg stehen.« Ich trat einen Schritt zurück. Jerome richtete seine grünen Augen auf Thomas. »Sie sind sowohl bereit, für ihren Glauben zu sterben, als auch, für ihn zu töten, wie Ihr ja bewiesen habt.«
»Wie ich bewiesen habe?« Jerome funkelte mich an, dann lachte er ungläubig auf. »Ich verstehe, Ihr habt Eure Beweise ausgewertet und seid zu dem Schluss gekommen, dass ich der Lincoln-Mörder sein muss, weil ich am meisten zu verlieren hatte, Bruno. Habe ich recht?«
»Roger Mercer drohte, Euren Verstoß gegen das Keuschheitsgelübde öffentlich bekannt zu machen.« Ich klammerte mich an die Fakten, die mir noch vor einem Moment so offensichtlich
erschienen waren und mir jetzt zu entgleiten drohten. »Ihr wolltet ihn zum Schweigen bringen.«
»Das leugne ich nicht. Ich erwähnte gegenüber Jenkes, dass Roger üble Gerüchte über mich verbreite und seine Zweifel meine Sicherheit bedrohen, und ich erwartete, er werde auf seine übliche überzeugende Weise unter vier Augen mit ihm reden. Aber ich machte einen Fehler.« Er hielt inne, um sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. »Vielleicht kennt Ihr die Geschichte unseres heiligen Thomas Beckett,
Weitere Kostenlose Bücher