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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Gabriel , ha! Er hat sogar den Namen eines Erzengels angenommen – aus purem Hochmut!«
    »Das Gesicht eines Engels«, wiederholte ich Humphrey Pritchards Worte. »Aber wenn ein anderer, ein Fremder ihn enttarnt, könnt Ihr damit nicht in Verbindung gebracht werden. Ihr musstet diesen Fremden nur mit Euren Zitaten und Diagrammen in die richtige Richtung stoßen.« Ich ließ die Worte im Raum hängen. »Und was ist mit dem armen Ned? Hat er Euren Vater auch verraten?«
    »Ned ?« Sophia, die bislang Thomas’ Geständnissen mit einem
Ausdruck wachsenden Entsetzens gelauscht hatte, umklammerte plötzlich Jeromes Arm. »Der kleine Ned Lacy, der Bibeljunge? Er ist doch nicht etwa auch tot?«
    Ich nickte grimmig, dabei beobachtete ich Thomas. Sophia schlug die Hände vor das Gesicht.
    »Er hat mich mit Sophia in der Bibliothek gesehen, während alle anderen bei der Disputation waren, bevor ich in Coverdales Kammer ging«, erwiderte Thomas achselzuckend. »Dann sah ich, wie Ihr Ned Geld gabt, und wusste nicht, was ich tun sollte. Wenn er nicht früher zurückgekommen wäre, wäre er jetzt noch am Leben. Es war seine eigene Schuld.«
    »Aber Ihr konntet nicht widerstehen, einen weiteren Märtyrertod nachzuahmen.« Meine Abscheu wuchs angesichts seiner gleichgültigen Kälte. Thomas lächelte leicht.
    »Ich wollte den Rektor bestrafen. Hast du nicht immer gesagt, er würde Foxes Werke mehr lieben als seine Familie, Sophia? Ich habe geschworen, dafür zu sorgen, dass er diese Bücher hassen lernt. Für dich«, fügte er hinzu. »Es war alles nur für dich, eines Tages wirst du das einsehen.«
    »Genug!«, rief Sophia mit vor Erregung zitternder Stimme. »Genug geredet, es ist fast Tag, und die Wächter werden zweifellos bereits nach mir suchen. Wir müssen aufbrechen, Jerome. Was geschehen ist, ist geschehen, und es wird alles umsonst sein, wenn wir nicht fliehen, solange wir noch können.« Sie zupfte ihn drängend am Ärmel.
    Thomas erwachte plötzlich zum Leben, als sei ein Feuer unter ihm angezündet worden.
    »Du wirst nicht in deinen Tod gehen, Sophia«, keuchte er und fixierte sie mit einem wilden Blick, während seine bebende Hand noch immer auf Jerome deutete. »Glaubst du wirklich, er wird dich sicher nach Frankreich bringen? Er hat seiner Mission eine fünfjährige Ausbildung und den größten Teil seines Erbes gewidmet. Bildest du dir ein, er würde das alles deinetwegen opfern? Nein, er strebt wie alle anderen auch das Märtyrertum an. Er plant, dich auf See einen Unfall erleiden zu lassen.«

    »Dein Geist ist verwirrt, Thomas«, begann Jerome, trat einen Schritt vor und hob beschwichtigend eine Hand. Thomas sprang zurück.
    »Aber das werde ich nicht zulassen!«, schrie er mit schriller Stimme. »Und wenn du meine Warnung nicht beherzigst …«
    Der Rest der Drohung blieb unausgesprochen. Stattdessen zog Thomas das Rasiermesser unter seinem Umhang hervor und stürzte sich auf Jerome. Ich riss Humphreys Messer aus meinem Gürtel, aber der Jesuit hatte in der Tat eine gute Ausbildung genossen; ehe ich mich rühren konnte, hatte er Sophia hinter sich geschoben und trat nach Thomas’ ausgestrecktem Arm. Thomas verlor einen Moment das Gleichgewicht, ließ das Messer aber nicht fallen, doch dieser kurze Augenblick gab Jerome die Gelegenheit, gleichfalls ein Messer aus seinem Stiefel zu ziehen. Beide Männer umkreisten einander wachsam mit gezückten Waffen und ließen sich nicht aus den Augen, während Sophia einen Schrei unterdrückte und ich das Duell hilflos verfolgte und dabei überlegte, wie ich am besten eingreifen konnte. Aber dazu kam es nicht mehr, denn im nächsten Moment flog die Tür auf, und der Diener Barton kam mit erhobenem Feuerhaken in den Raum gestürmt. Thomas wirbelte mit glühenden Augen herum und hieb mit dem Rasiermesser auf den Arm des Mannes ein, ehe dieser zuschlagen konnte. Barton heulte auf, ließ den Feuerhaken fallen und presste eine Hand auf die Wunde, woraufhin Thomas wie von Sinnen auf ihn losging und ihm mit der Klinge wieder und wieder die Kehle aufschlitzte. Ich warf mich auf Thomas und packte seinen Arm, aber für einen so mageren jungen Mann war er erstaunlich stark, und seine Wut schien ihm übernatürliche Kräfte zu verleihen. Er versuchte, mich abzuschütteln, doch ich ließ ihn nicht los, und Bartons letztes gutturales Stöhnen wurde von Sophias Schreien übertönt, als sein Blut über den Boden strömte. Seine Atemzüge erstarben, als er die Finger in Thomas’ Umhang

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