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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Kammer über dem Torhaus. Bei dem Treppenhaus im westlichen Turm blieb er stehen und drehte sich um.
    »Soll doch Sir Philip Sidney für deine Entlassung aus dem Gefängnis bezahlen, wenn ihr wirklich so gute Freunde seid«, schnarrte er, ehe er sich an den Soldaten wandte. »Bring diesen Mann in den Hof, wir nehmen ihn mit nach Oxford zurück. Ein paar der anderen Männer sollen bleiben und die Diener in zwei Gruppen aufteilen: diejenigen, die bereit sind zu reden, und die verstockten.«
    Der Soldat nickte und stieß mich auf die Wendeltreppe zu. Während ich mich bemühte, auf den schmalen Stufen nicht auszurutschen, versuchte ich, meine Situation unter den günstigsten Gesichtspunkten zu betrachten. Im Moment sah alles sehr trübe aus, aber sicher würden sich Sidney oder Rektor Underhill für mich verwenden. Dann fiel mir das Briefpäckchen und William Bernards Warnung am Tag meiner Ankunft ein: dass kein Mann in Oxford war, was er zu sein schien. Ich hatte Cobbett vertraut, aber was, wenn er ebenfalls mit den Katholiken sympathisierte? Wenn er die Briefe vernichtet hatte, die Jerome Gilbert und Edmund Allen gewechselt hatten, gab es keine hieb-und stichfesten Beweise mehr gegen Jerome, dann stand mein Wort gegen das seine. Meine Nationalität und meine frühere
Religion sprachen in den Augen vieler gleichfalls gegen mich, das hatte ich seit meiner Ankunft in Oxford oft genug zu spüren bekommen. Und würde es Underhill nicht äußerst gelegen kommen, die ganze Verantwortung auf mich abzuwälzen, statt zugeben zu müssen, dass ein Jesuit über ein Jahr lang unbemerkt an der Universität gelebt hatte? Sidney war meine einzige Hoffnung, aber wenn er meine Nachricht nicht erhalten hatte, würde er mich erst finden, wenn ich schon lange in einem stinkenden Kerker schmachtete. Ein Lichtblick war es allerdings, dachte ich, als ich in den hellen Hof hinausgeschleift wurde, dass ich jetzt mit durchschnittener Kehle in einem Straßengraben liegen würde, wenn Jenkes mich vor dem Unterherold erreicht hätte. So gesehen bestand doch noch Hoffnung.
    Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel, ab und an zogen Wolken darüber hinweg. Im Hof drängten sich die Gruppen von Dienern zusammen und tuschelten miteinander, während sie die Vorgänge ringsum verfolgten. Jede Gruppe wurde von zwei oder mehr Bewaffneten bewacht. Ich entdeckte den stämmigen Mann, der mich vom Turm heruntergebracht hatte, doch er wandte rasch den Blick ab. Ich fragte mich, ob er Newell wohl das Versteck gezeigt hatte. Wenn irgendein Mitglied des Haushalts wusste, dass Newell den falschen Mann gefasst hatte, so schwieg es jedenfalls. Die Sympathie der Leute gehörte vermutlich eher Jerome, und sie waren froh, dass man mich an seiner Stelle festgenommen hatte.
    Ein Soldat schob mir einen Holzblock hin und half mir auf ein Pferd, ohne allerdings meine Hände loszubinden. Der Mangel an Schlaf und Nahrung sowie meine Verletzungen forderten jetzt ihren Tribut, mein Kopf fühlte sich bleischwer an, und ich konnte kaum aufrecht sitzen. John Newell bemerkte, dass ich nach vorne sackte, und stieß mir den Griff seines Schwerts in die Magengrube.
    »Soll ich dir ein Schild um den Hals hängen lassen, du italienischer Hurensohn?« Er blinzelte im Sonnenlicht zu mir empor. »Mit der Aufschrift ›Aufrührerischer Jesuit‹, wie es Edmund
Campion getragen hat, als er nach London zurückgebracht wurde? Sorg dafür, dass er sich aufrecht hält«, bellte er den Soldaten an, der die Zügel des Pferdes hielt. »Sonst fällt er herunter, ehe wir das Ende der Auffahrt erreichen, und wir bekommen ihn nie nach Oxford.«
    »Er brauchte vielleicht etwas zu trinken, um wieder zu Kräften zu kommen, er wirkt ziemlich durstig«, meinte der Soldat zögernd, und ich nickte ihm dankbar zu. Der Mann bewies offensichtlich mehr Mitgefühl als seine Kameraden.
    »Etwas zu trinken ?« Newell sah den Mann an, als habe er gerade vorgeschlagen, mir Musikanten und Kurtisanen zur Verfügung zu stellen. »Ich verstehe – soll ich für unseren Gast den besten Wein aus dem Keller von Hazeley Court holen lassen? Und sollen wir eine Gans für ihn rösten? Kümmere dich um deine Pflicht, Soldat, und mach mir keine Vorschriften!«
    Der Soldat senkte betreten den Kopf und warf mir einen verstohlenen, Entschuldigung heischenden Blick zu. Ich formte mit meinen ausgedörrten Lippen ein stummes »Danke«, als sich Newell abwandte, um auf sein eigenes Pferd zu steigen. Er hatte sich gerade an die Spitze der

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