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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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war mit den unterschiedlichsten Möbelstücken vollgestopft, alle aus gutem Eichenholz gefertigt. Stühle waren umgeworfen, eine Truhe über den Boden geschleift und aufgebrochen worden. Die offensichtliche Verzweiflung des Eindringlings bewies, dass sich ohne jeden Zweifel etwas von Bedeutung unter Rogers Habseligkeiten befinden müsste, die Frage war nur, ob es bereits gefunden worden war und ob ich es erkennen würde, wenn ich darauf stieß.
    Ich trat zu dem schön gearbeiteten Schreibtisch, der jetzt mit Papieren und Schreibfedern übersät war. Ein kleines Astrolabium
aus Messing war zu Boden gefallen. Ich bückte mich, hob es auf und stellte es wieder auf seinen Sockel, wobei ich bemerkte, dass der Zeiger zerbrochen war. Als ich mich vorbeugte, entdeckte ich auf dem Boden einen dunklen geringelten Gegenstand. Ich hielt ihn ans Licht und sah, dass es sich lediglich um einen Streifen vertrockneter Orangenschale handelte, den ich sogleich wieder fallen ließ. Danach hob ich die obersten Dokumente auf dem Schreibtisch an und überflog den Papierwust. Es würde mühsam sein, diesen ganzen Stapel nach einem Brief oder irgendeinem Notizzettel zu durchforsten, der Licht auf den Tod des früheren Bewohners dieses Raums werfen könnte. Sämtliche Schubladen waren herausgezogen worden. Ich griff in jede Öffnung hinein und tastete sie nach Geheimfächern ab, fand aber keine. Dann durchsuchte ich den Inhalt der Schubladen, war aber schon nahe daran aufzugeben, weil ich keine Ahnung hatte, worauf ich eigentlich zu stoßen hoffte.
    Der obersten Schublade entnahm ich eine lederne Schreibmappe. Flüchtige Hoffnung keimte in mir auf. Vielleicht befand sich Rogers jüngste Korrespondenz noch darin und verriet mir, mit wem er kürzlich Streit gehabt oder Geschäfte getätigt hatte – und die damit seine Anwesenheit im Garten erklärte. Ich schaffte auf dem Schreibtisch Platz für die Mappe, und als ich sie öffnete, fiel ein dünnes, in Leinen gebundenes Buch heraus. Ich hob es auf, schlug es aufs Geratewohl auf und stellte fest, dass ich einen gedruckten Almanach für das Jahr 1583 in den Händen hielt. Die Seiten waren in Wochentage unterteilt, der jeweilige Monat oben auf jeder Seite angegeben und mit den entsprechenden astrologischen Vorhersagen versehen. Hastig begann ich zu blättern, und mit jeder Seite, mit der ich mich der Seite für den heutigen Tag näherte, beschleunigte sich mein Pulsschlag – könnte Roger Mercer den Namen dessen notiert haben, mit dem er sich heute frühmorgens hatte treffen wollen.
    Während meiner Suche nach der Seite für den 22. Mai fiel
mir an diesem Kalender etwas Seltsames auf: Jede Unterteilung wies zwei Daten auf, eines schwarz gedruckt, das andere von Hand mit roter Tinte hinzugefügt. Das rote Datum lag zehn Tage vor dem schwarzen. Ich wusste sofort, was das zu bedeuten hatte, weil mein Gastgeber, der französische Botschafter, mit solchen Kalendern zu arbeiten pflegte: Die rote Zahl stand für das Datum des neuen Kalenders, der im vergangenen Oktober von Papst Gregor eingeführt worden war und nun laut der päpstlichen Bulle Inter gravissimas in den katholischen Staaten obligatorisch war. Als Geste der Auflehnung gegen die päpstliche Autorität galt er in England und den anderen protestantischen Staaten Europas noch nicht. Trotzdem hatte der Botschafter sich oft beklagt, dass das die Korrespondenz mit Würdenträgern aus anderen Ländern extrem erschweren würde, weil niemand sicher wüsste, welches Datum denn nun gemeint wäre – weshalb er für gewöhnlich beide benutzte. Doch wozu brauchte ein englischer Protestant wie Roger Mercer einen Kalender mit den gregorianischen Daten?
    Endlich stieß ich auf die gewünschte Seite und registrierte gerührt, dass er für den 22. Mai (1. Juni) in seiner eleganten, flüssigen Handschrift Zeitpunkt und Ort meiner Disputation eingetragen hatte: G. Bruno vs Underhill, Div. Sch. 5. Als ich das Buch näher an die Augen hielt, bemerkte ich einen weiteren Eintrag für den heutigen Tag: In der linken oberen Ecke prangte ein einzelner Buchstabe – ein J . Ich blinzelte verwirrt. Könnte J der Anfangsbuchstabe des Namens der Person sein, die er hatte treffen wollen? Das würde den Kreis der Verdächtigen begrenzen. Ich blätterte ein paar Tage zurück, suchte nach weiteren Hinweisen. Der Vortag, der 21.5. (31.), war nur mit einem seltsamen Symbol markiert, einem Kreis mit Speichen gleich einem Karrenrad. Beim weiteren Zurückblättern stellte ich

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