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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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dir jetzt den letzten Teil an.«
    Er blätterte zu den hinteren Seiten, nahm kurz in Augenschein, was er da zu sehen bekam, dann blickte er zu mir auf und nickte beinahe bewundernd.
    »Gute Arbeit, Bruno. Die unsichtbare Schrift mit Orangensaft ist ein alter Trick. Hast du irgendeine geheime Botschaft entdeckt?«
    »Ja, eine codierte. Ich habe eine Kopie angefertigt – hier.« Ich schob ihm mein Stück Papier hin. »Siehst du, was er auf den unteren Rand geschrieben hat?«
    »ORA PRO NOBIS . Hm.« Sidney faltete das Papier sorgfältig zusammen und gab es mir zurück. »Bete für uns . Kann das eine Losung oder ein geheimes Erkennungszeichen sein?«
    »Das vermute ich auch. Sollen wir Walsingham informieren?« Sidney dachte einen Moment nach, schließlich schüttelte er den Kopf.
    »Wir haben noch keine wichtigen Informationen zusammengetragen; wir könnten ihm nur mitteilen, dass wir einen Mann verdächtigen, mit den Katholiken zu sympathisieren, der bereits tot ist. Er würde es uns nicht danken, wenn wir seine Zeit unnütz verschwenden, und ich kann die Kosten für die Entsendung eines Boten nach London nicht vor ihm rechtfertigen – noch nicht. Wir müssen erst mehr in der Hand haben, Bruno. Nein, ich denke, du solltest dieser Sache so diskret wie möglich weiter nachgehen«, fuhr er fort, klappte das Buch zu und reichte es mir wieder. »Vor allem, wenn Rektor Underhill so bestrebt ist, sie zu vertuschen, wie du sagst – er könnte mehr wissen, als er zugibt.
Dass mein Onkel ihn in sein Amt berufen hat, heißt noch lange nicht, dass er auch vertrauenswürdig ist – es wäre nicht das erste Mal, dass der Earl einen Menschen falsch beurteilt hat.« Er presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Und wer ist dieser J ? Hast du irgendeine Idee?«
    »Ich habe erst drei Männer kennen gelernt, deren Namen mit J beginnen«, erwiderte ich. »John Florio, den Angloitaliener, James Coverdale, den Proktor und John Underhill, den Rektor. Indes, der Buchstabe muss nicht unbedingt für einen Namen stehen. Vielleicht ist es ein weiteres verschlüsseltes Symbol.«
    Sidney nickte grimmig.
    »Vielleicht. Es gibt viele Möglichkeiten. Aber jetzt, mein lieber Bruno«, er lächelte plötzlich, »darfst du erst einmal nur an deine Disputation denken. Verblüffe ganz Oxford mit deiner neuen Kosmologietheorie und streich diese Angelegenheit vorübergehend aus deinem Bewusstsein. Lizzy – die Rechnung!«, rief er der Bedienung zu, als sie in unsere Richtung blickte. »Und ich nehme noch eine große Flasche von eurem stärksten Ale mit«, fügte er hinzu, dabei nahm er einige Münzen aus seinem Geldbeutel. Gleich nachdem Lizzy gegangen war, um das Gewünschte zu holen, lehnte er sich nach vorn und grinste. »Ein kleines Geschenk für deinen neuen Freund, den Pförtner. Eins kann ich dir über Oxford sagen – die Pförtner hüten mehr Geheimnisse als alle anderen Universitätsangehörigen zusammen. Schmeichle dich bei eurem ein, dann öffnet er dir buchstäblich Tür und Tor. Und jetzt, Bruno«, er klopfte mir auf den Rücken, »geh und löse dieses kleine Problem, ob sich die Erde um die Sonne dreht oder nicht.«
    Ich wollte gerade aufstehen und mich verabschieden, da wurde die Schankraumtür geöffnet und hinter uns erklangen lautes Gelächter und Stimmengewirr. Vier hochgewachsene junge Männer drängten sich herein. Alle waren kostbar gekleidet, trugen Jacken aus Büffelleder, gesteppte und wattierte Wämse aus Seide, dazu kurze, geschlitzte Kniehosen, die ihre in feinen Seidenstrümpfen steckenden Beine betonten, und alle
protzten mit glänzenden, steifen Halskrausen über ihren Krägen sowie über eine Schulter geworfenen kurzen Samtumhängen. Alle trugen sie die gleiche Großtuerei zur Schau, unterhielten sich laut mit kultivierten Stimmen und bedachten das Schankmädchen mit zotigen Scherzen. Als sie sich umdrehten, stellte ich fest, dass es sich bei dem Größten von ihnen um Gabriel Norris handelte. Er erkannte mich und hob grüßend eine Hand.
    »Ah, il gentil dottore !«, rief er, seine Freunde an unseren Tisch winkend. »Kommt, Jungs, lernt meinen neuen Freund kennen, den bekannten italienischen Philosophen Doktor Giordano Bruno und …« Er brach ab, sowie sein Blick auf Sidney fiel, verbeugte sich elegant und sah mich dann erwartungsvoll an. Ich begriff, dass es mir oblag, die Männer miteinander bekannt zu machen.
    »Dies ist Master Gabriel Norris«, stellte ich vor, woraufhin sich Norris erneut

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