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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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verneigte. »Der Mann, der heute Morgen den wilden Hund im Garten so treffsicher zur Strecke gebracht hat. Und dies ist mein Freund Sir Philip Sidney.«
    »Ihr seid also der kühne Jäger?« Sidney hob belustigt eine Braue.
    »Auf diesen Schuss kann ich mir nicht allzu viel einbilden, Sir – der Hund war nur ein paar Schritte von mir entfernt. Ich bevorzuge größere Herausforderungen, wenn mein Bogen zum Einsatz kommt.« Norris lächelte selbstgefällig. »Der Shotover Forest ist ein ausgezeichnetes Jagdrevier, Sir Philip, falls Ihr während Eures Aufenthalts hier einen fetten Keiler erlegen wollt.«
    »Gerne, wenn sich das Wetter bessert«, versetzte Sidney. »Euer Name ist Norris? Darf ich fragen, wer Euer Vater ist?«
    »George Norris aus Buckinghamshire.« Norris verbeugte sich ein drittes Mal. »Allerdings verbrachte er die letzten Jahre seines Lebens in Frankreich und Flandern.«
    Sidney schien sein Gedächtnis zu durchforsten, um zu ergründen, ob ihm der Name irgendetwas sagte. Endlich schüttelte er höflich den Kopf.

    »Kenne ich nicht. Frankreich, eh? Lebte er im Exil?«
    »O nein, Sir Philip«, lachte Norris. »Er war Kaufmann, handelte mit Tuchen und Luxusgütern. Und er verstand sein Geschäft.« Er grinste breit und signalisierte mit seinen Fingern die internationale Geste für Geld. Sein Benehmen begann an meinen Nerven zu zerren.
    »Wollt Ihr nicht bleiben und mit uns trinken?«, fuhr er ungeduldig fort, dabei wühlte er schon in seiner Börse nach Münzen. »He, Mädchen – hierher!« Er winkte Lizzy gebieterisch zu sich. »Meine Freunde haben die Absicht, mir beim Kartenspiel mein Geld aus der Tasche zu ziehen, aber darin bin ich ungeschlagener Meister. Spielt Ihr auch, Sir Philip? Und wie steht es mit Euch, Doktor Bruno?«
    Ich hob Entschuldigung heischend die Hände, bemerkte jedoch ein abenteuerlustiges Funkeln in Sidneys Augen. Er rieb sich die Hände und rückte zur Seite, damit Norris sich setzen konnte.
    »Philosophen können bekanntermaßen nicht mit Karten umgehen.« Er bedeutete mir, auf meiner Seite Platz für Norris’ Freunde zu schaffen.
    »Ein Grund mehr für Doktor Bruno, noch zu bleiben und sich an unserem Spiel zu beteiligen, dann wird er es schnell lernen.« Norris lächelte mir zu, griff in sein Wams und zog ein Päckchen Karten hervor, die er mit dem Geschick langjähriger Erfahrung mischte.
    Ich erkannte mit einem Anflug von Unbehagen, was mir an meinem Freund aus alten Tagen derzeit so missfiel: nicht die betonte Jovialität des englischen Oberklassegentlemans, die ich bei Sidney gut tolerieren konnte, sondern vielmehr der Umstand, dass Sidney sich so mühelos in diese Gruppe junger Männer einfügte – was mir nicht gegeben war –, und dazu die unterschwellige Furcht, er könne ihre Gesellschaft in mancher Hinsicht der meinen vorziehen. Wieder überkam mich jene Einsamkeit, die nur ein Exilant wirklich kennt: das Wissen, dass ich nicht dazugehörte und nie dazugehören würde.

    Norris klatschte das Päckchen in seine Handfläche und legte dann für jeden Spieler drei Karten auf den Tisch – zwei verdeckt und die dritte offen.
    »Sollen wir mit einem Shilling Einsatz beginnen? Falls du hoffst, dein Geld behalten zu können, Tobie«, wandte er sich an den ihm gegenübersitzenden dunkelhaarigen jungen Mann, »solltest du besser zum heiligen Bernadino von Siena beten, dem Schutzpatron der Spieler. Ich habe so ein Gefühl, dass Fortuna mir heute hold ist.«
    »Zu einem Heiligen beten, Gabe?« Tobie bedachte ihn mit einem verschlagenen Grinsen, nahm seine Karten auf und betrachtete sie. »Lass das nur niemanden hören, sonst könnte man auf den Gedanken kommen, du wärst zu Rom übergelaufen.«
    Norris schnaubte.
    »Das war ein Scherz, du Schwachkopf. Gentlemen sollten am Kartentisch nie über Religion diskutieren. Habe ich nicht gleichwohl recht, Doktor Bruno – Euer Landsmann steht in dem Ruf, sich für Spieler einzusetzen? Jedenfalls bei denen, die an diesen Unsinn glauben«, fügte er hinzu und warf eine Handvoll Münzen auf den Tisch.
    »In Italien ist er mehr wegen seiner Hetzreden gegen Sodomiten bekannt«, konterte ich und erhob mich vom Tisch. Norris schaute von seinem Blatt zu mir auf und musterte mich interessiert.
    »Tatsächlich?«
    »Er beklagte, dass die Italiener im letzten Jahrhundert in ganz Europa in dem Ruf standen, die größte Nation von Sodomiten überhaupt zu sein.«
    »Und stimmt das?« Ein Lächeln zuckte um Norris’ Mundwinkel.
    »Wir

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