Ketzer
aber die Bedeutung nicht. Es handelte sich ohne jeden Zweifel um eine von einer geschickten Hand angefertigte Darstellung des kopernikanischen Universums. Die sieben Planeten umringten die Sonne,
zumindest sah es auf den ersten Blick so aus, doch in der Mitte, wo sich die Darstellung des Sol hätte befinden sollen, prangte keine Sonne, sondern ein kleiner Kreis mit Speichen, genau das Symbol, das immer wieder in Roger Mercers Almanach auftauchte.
Jetzt völlig durcheinander griff ich nach dem zweiten Papierstreifen, der beinahe zwischen den Dielen verschwunden wäre, und stellte fest, dass er eng bedruckt war. Bei näherer Betrachtung entpuppte er sich als sorgfältig aus einem Buch herausgeschnitten, und der Satz, den ich las, ließ mich laut nach Atem ringen.
Weizen Gottes bin ich, und durch die Zähne von Bestien werde ich gemahlen, damit ich als reines Brot Christi gefunden werde.
7
Ich hämmerte so heftig an die Tür des Rektors, dass sich im Gesicht des Dieners, der mir öffnete, nackte Angst widerspiegelte. Vermutlich fürchtete er, es habe sich eine weitere Tragödie ereignet.
»Ich muss unverzüglich mit dem Rektor sprechen«, keuchte ich, dabei fuchtelte ich mit den Papieren vor seiner Nase herum.
»Er speist heute Abend im Christ Church College, Sir, zusammen mit den anderen Fellows.« Der Diener betrachtete mich mit einiger Bestürzung. Seine Hand zitterte leicht, als er die Kerze hob, um mir ins Gesicht zu leuchten. »Ist etwas geschehen?«
Natürlich – ich hatte vergessen, wie früh es noch war. Underhill würde seinen Triumph feiern und vermutlich erst in einigen Stunden zurückkommen.
»Es handelt sich um eine äußerst dringende Angelegenheit.« Allmählich kam ich wieder zu Atem. »Ich kann auf ihn warten, aber ich muss ihn heute Abend unbedingt noch sprechen.«
Der Diener, ein ernster Mann Ende fünfzig, beäugte mich argwöhnisch.
»Ihr könnt uns zu späterer Stunde noch einmal aufsuchen, Sir, indes darf ich Euch nicht erlauben, allein mit den Ladies in der Wohnung des Rektors zu warten, das wäre ausgesprochen unschicklich.«
»Ich habe nicht die Absicht, ihnen etwas zuleide zu tun – ich möchte den Rektor nur auf keinen Fall verfehlen.«
»Wer ist denn da, Adam?«, erklang Sophias Stimme von drinnen, dann tauchte sie hinter dem Diener auf. Ihre schlanke Gestalt wurde vom Kerzenlicht beschienen, und sie hielt ein Buch in der Hand.
»Der ausländische Gentleman, Mistress Sophia. Er wünscht Euren Vater zu sprechen. Ich habe ihm gesagt, er soll später noch einmal zurückkommen.«
»Unsinn – lass ihn herein, damit er im Warmen warten kann. Vater wird nicht lange ausbleiben. Geselligkeit gehört nicht zu seinen Stärken.« Sie lächelte mir über die Schulter des Dieners hinweg zu. »Doktor Bruno, guten Abend – kommt doch bitte herein.«
Der konsternierte Blick des Dieners flog von mir zu ihr.
»Ich glaube nicht, dass das Eurem Vater recht wäre …«, begann er, doch Sophia schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.
»Doktor Bruno ist Gast meines Vaters, Adam, und ein Philosoph, der sich eines ausgezeichneten Rufes erfreut. Ich bin sicher, Vater wäre sehr verärgert, wenn ich ihm meine Gastfreundschaft verweigern würde. Vielleicht bist du so gut und nimmst ihm seinen Umhang ab! Und bring uns etwas Wein.«
Adam machte ein verdrossenes Gesicht, fügte sich aber, verneigte sich knapp vor mir und trat zur Seite, um mich einzulassen – nicht, ohne mir dabei einen angewiderten Blick zuzuwerfen. Sophia lächelte erneut und bedeutete mir, ihr durch das Esszimmer zu folgen, in dem wir am Abend zuvor gesessen hatten. Als ich bis zum anderen Ende des Raumes hinter ihr herging, fiel mir nicht nur ihr schlichtes grünes Kleid auf, auf das sich ihr dunkles Haar in kleinen Wellen ergoss, sondern wieder die in ihrer natürlichen Art begründete Selbstsicherheit und Ruhe, die sie ausstrahlte. Meine Stimmung hellte sich durch die unerwartete Aussicht auf ihre Gesellschaft beträchtlich auf. Durch eine hohe Tür gelangten wir in einen dunkel getäfelten Raum, der von einem mächtigen Eichenholzschreibtisch unter dem Fenster, auf dem sich Bücher und Papiere
stapelten, beherrscht wurde. Im Kamin prasselte ein helles Feuer.
»Das ist das Arbeitszimmer meines Vaters, Ihr könnt hier auf ihn warten«, erklärte Sophia höflich, dabei geleitete sie mich zu einem der Stühle neben dem Kamin. Dann musterte sie mich einen Moment lang. »Ihr wolltet nicht mit den Fellows im Christ
Weitere Kostenlose Bücher