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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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vorbei.«
    »Fällt Euch daran nichts auf?«
    Stirnrunzelnd betrachtete sie das Blatt erneut, dann weiteten sich ihre Augen einen Moment lang, ehe sie den Kopf wieder hob.
    »Die Sonne ist auf eine seltsame Art dargestellt«, meinte sie beiläufig.
    »Ja.«
    »Wie ein Rad. Ohne Frage sehr elegant gezeichnet.« Sie reichte mir das Papier zurück.
    »Das stimmt, freilich gebührt das Lob nicht mir – ich habe diese Zeichnung nicht angefertigt.«
    »Wer denn dann?« Ihre Stimme schwankte leicht. »Woher habt Ihr sie?«
    »Jemand ließ sie mir zukommen, sie wurde unter meiner Kammertür hindurchgeschoben. Von wem, weiß ich nicht, aber es könnte sich um eine verschlüsselte Botschaft handeln. Deshalb wollte ich Euren Vater um Rat bitten.«

    Ihr entfuhr ein eigenartiges Lachen, es klang fast erleichtert.
    »Ihr seid hierher gestürmt und habt an die Tür gehämmert, als ginge die Welt unter, nur um ihm das da zu zeigen? Wenn Ihr meinen Rat hören wollt, Bruno – ich schätze, jemand erlaubt sich einen Scherz auf Eure Kosten, indem er sich über Kopernikus lustig macht. Mein Vater würde mit solchen Nichtigkeiten niemals seine Zeit verschwenden.«
    »Vielleicht habt Ihr recht«, sagte ich ruhig, faltete das Papier zusammen und glättete es zwischen meinen Handflächen. »Trotzdem würde ich gern auf ihn warten, wenn Ihr gestattet.«
    Sie nickte stumm. Was, fragte ich mich im Stillen, hatte der Ausdruck zu bedeuten, der eben über ihr Gesicht gehuscht war, als sie das Diagramm zum zweiten Mal betrachtet hatte? Ein Wiedererkennen? Womöglich sogar Furcht? Einerseits erschien es mir zwar äußerst unwahrscheinlich, dass sie über den Sinngehalt des kleinen Symbols irgendeine Kenntnis haben könnte, andererseits jedoch lebte man hier an der Universität so eng beieinander, dass es kaum Geheimnisse gab. Wenn das Symbol für Roger Mercer und den unbekannten Überbringer der Botschaft eine Bedeutung hatte, warum sollte diese dann nicht auch anderen bekannt sein – wie zum Beispiel Sophia?
    »Sagt mir …« Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und deutete auf die großen Truhen an der Wand. »Besitzt Euer Vater eine Ausgabe der Werke von Foxe?«
    Sophia verdrehte die Augen.
    »Genauso gut könntet Ihr fragen, ob der Papst ein Kruzifix besitzt, mein lieber Bruno. Mein Vater hat sämtliche je erschienenen Ausgaben zusammengetragen, die letzte umfasst zwölf Bände, und ich glaube, dieses Jahr soll wieder eine neue herauskommen, die er seiner Sammlung zweifellos bald einverleiben wird. An Werken von Foxe herrscht in diesem Haus wahrhaftig kein Mangel. Welche Ausgabe sucht Ihr denn?«
    »Das weiß ich selber nicht.« Ich hielt inne und ließ den Blick über die Bücher auf dem Schreibtisch schweifen, ehe ich mich wieder zu ihr wandte. »Weizen Gottes bin ich, durch die Zähne
von Bestien werde ich gemahlen, damit ich als reines Brot Christi gefunden werde.«
    Sie sah mich fragend an. »Bitte?«
    »Wisst Ihr, ob das von Foxe stammt?«
    »Oh, ein Zitat. Offen gestanden habe ich keine Ahnung – mein Vater ist der Märtyrerexperte, nicht ich. Ich habe nur ein einziges Mal einen Blick in Master Foxes Buch geworfen und fand das, was ich da las, abstoßend – was muss das für ein Mann sein, der sein Leben der endlosen Auflistung von Quälereien und Grausamkeiten widmet, die Menschen anderen menschlichen Wesen zufügen? Und dann auch noch in allen Einzelheiten? Ich hatte den Eindruck, er hat sich an seinen eigenen Beschreibungen geradezu berauscht. Einige der Holzschnitte haben mir Albträume beschert.« Sie erschauerte und verzog das Gesicht.
    »Er wollte den Gläubigen Mut machen, nehme ich an, und hat nach dem wirksamsten Mittel dazu gesucht.«
    »Es ist nichts als Propaganda, die nur einem einzigen Zweck dient – Hass auf die Katholiken zu schüren!«, spie Sophia. Ihre Heftigkeit setzte mich in Erstaunen. Als sie meinen überraschten Blick auffing, errötete sie und fügte etwas ruhiger hinzu: »Als gäbe es nicht schon genug Zwistigkeiten zwischen Christen – wozu brauchen wir da Bücher wie dieses, das die Flammen noch höher schlagen lässt?«
    Ich beobachtete sie mit neu erwachter Neugier, als sie, vielleicht ob ihres Ausbruchs beschämt, ihre Aufmerksamkeit wieder dem Feuer zuwandte. Sie vertrat ihre Meinung derartig offen und war in ihren Ansichten derartig unberechenbar, dass ich verstand, warum ihr Vater sie so dringend verheiraten wollte; ein so unabhängiger Geist wie der ihre verstieß gegen alles, was von

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