Ketzer
einer bescheidenen, gehorsamen Ehefrau erwartet wurde. Gleichwohl war es gerade ihre standhafte Weigerung, den ihr in der Welt zugedachten Platz einzunehmen, die ich am meisten an ihr bewunderte. Was hatte sie zum Beispiel mit ihren hitzigen Worten wirklich sagen wollen? Während ich erwog, sie weiter über das Thema Foxe auszufragen, wurde abermals die Tür geöffnet,
und betont langsam stellte Adam eine Platte mit Brot, Käse und kaltem Fleisch neben den Weinkrug.
»Ich glaube, Euer Vater hätte einiges dagegen einzuwenden, dass in seinem Arbeitszimmer zu Abend gespeist wird«, begann er tadelnd, doch Sophia brach sich bereits ein Stück Brot ab.
»Ach was, er nimmt hier ja selbst oft sein Abendessen ein«, gab sie zurück. »Danke, Adam, das wäre dann alles.«
Adam zögerte.
»Mistress Sophia, ich frage mich, was Eure Mutter wohl …«
»Meine Mutter ist gestern noch vor Ende des Dinners zu Bett gegangen und hat es seither nicht mehr verlassen. Wenn ihre Nerven ihr zu schaffen machen, will sie allein gelassen werden. Danke, Adam.« Sie lächelte freundlich, aber ihre Stimme klang stahlhart.
Adam, der sich zweifellos zum Verteidiger von Sophias Ehre berufen fühlte, schien nach einem weiteren Einwand zu suchen, den er vorbringen könnte, um uns nicht länger miteinander allein zu lassen. Nach einem kurzen Innehalten gab er sich jedoch geschlagen, neigte den Kopf und zog sich zurück. Diesmal schloss er die Tür leise hinter sich.
»Bedient Euch.« Sophia deutete auf die Platte. »Danach können wir Foxes Werke durchgehen, wenn Ihr wollt.«
Ich nahm wieder auf dem Stuhl neben dem Feuer Platz und brach dankbar gleichfalls ein Stück von dem grobkörnigen Brot ab.
»Also, Bruno …« Sie dämpfte ihre Stimme und beugte sich vor, als hätte sie mich zu sich bestellt, um etwas mit mir zu besprechen. »Ihr habt versprochen, mir mehr über Agrippas magisches Buch zu erzählen, und hier bietet sich uns eine unerwartete Gelegenheit für eine kleine Unterrichtsstunde.«
»Das ist richtig«, erwiderte ich mit vollem Mund. »Aber erst müsst Ihr mir verraten, warum Ihr so erpicht darauf seid, etwas über Zaubersprüche und Liebesamulette zu erfahren. Bücher diesen Inhalts sind hier verboten, und selbst das Wissen um derlei Dinge gilt als gefährlich.«
»Ich sagte nie, dass ich lernen will, wie man Liebeszauber verhängt«, versetzte sie von oben herab. »Das war Eure Annahme.« Doch die Röte, die ihr in die Wangen stieg, strafte ihre Worte Lügen.
»Ich habe mich nur gefragt, warum eine junge Lady aus gutem Haus sich mit praktisch angewandter Magie beschäftigen will.«
»Die Vorstellung, dass ein Mensch Kräfte beherrschen, die über unser Begriffsvermögen hinausgehen, und für seine eigenen Zwecke einsetzen könnte, fasziniert mich. Wem würde das nicht so gehen? Ich habe immer gedacht, Magie müsse etwas ungemein Machtvolles sein – was ich damit meine, ist, irgendetwas muss man doch durch sie erreichen können, sonst wäre die Kirche nicht so darauf bedacht, dem Volk zu verbieten, sich mit ihr zu beschäftigen.«
Ich zögerte.
»Im Universum herrschen zweifellos große Mächte, aber sie zu beschwören erfordert lange und intensive Studien. Bei der hermetischen Magie, von der Agrippa schreibt, geht es nicht um das Mischen von Kräutertränken und Murmeln von Sprüchen – das ist das Spezialgebiet der sogenannten Dorfhexen –, sondern sie erfordert Kenntnisse der Astronomie, der Mathematik, der Musik, der Metaphysik, der Philosophie, der Optik, der Geometrie … die Liste könnte beliebig fortgeführt werden. Ein Meister in dieser Kunst zu werden erfordert lebenslange harte Arbeit.«
»Ich verstehe.« Sie presste ihre Lippen zusammen und stützte sich mit den Händen auf ihren Knien ab. »Und Ihr versucht mir gerade klarzumachen, dass ich nicht genug Verstand dazu hätte, da ich ja nur eine Frau bin?«
»Ganz und gar nicht.« Ich hob protestierend eine Hand. Was dieses Thema betraf, war sie gar zu leicht eingeschnappt, fand ich. Dann erinnerte ich mich an den ohnmächtigen Zorn, der in der Divinity School in mir aufgewallt war, als ihr Vater wiederholt angedeutet hatte, dass meine Nationalität mit mangelnden Geistesgaben gleichzusetzen wäre. Was mich betraf, so könnte
ich leicht Teile Europas ausfindig machen, wo solche Vorurteile nicht existierten, hingegen gab es meines Wissens in der gesamten christlichen Welt keinen Ort, wo geduldet würde, dass eine Frau wie Sophia als gleichberechtigte
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