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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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kämpfte sich kopfschüttelnd zu mir durch.
    »Heute Abend habe ich mich für meine frühere Universität geschämt!«, explodierte er. Zwei rote Flecken loderten auf seinen Wangen. »Underhill ist ein Wiesel – er ist nicht ein einziges Mal sachlich auf deine Argumente eingegangen! Ich nenne das schändlich – eine Zurschaustellung purer, blinder Arroganz!« Er presste die Lippen zusammen, wie wenn er sich selbst zur Ruhe mahnen wollte. »Dieser Glaube an die eigene Überlegenheit gehört zu den unattraktivsten Charakterzügen unserer Nation.«
    »Zum Glück kann ich dich und Walsingham zu meinem Bekanntenkreis zählen.« Nun war es an mir, den Kopf zu schütteln. »Ich dachte, alle Engländer wären liberal und weltoffen, doch wie es aussieht, habe ich mich in diesem Punkt gründlich geirrt.«
    »Eines würde ich allerdings trotzdem gerne wissen, Bruno – wozu sollte diese pompöse Einleitung gut sein?«
    »Sie hat mir in Paris immer gute Dienste geleistet.«
    »Zweifellos, aber so laufen die Dinge hier nicht ab. Wir neigen nicht dazu, uns für Leute zu erwärmen, die ihr eigenes Lob
zu laut singen – ich glaube, da hast du dein Publikum verloren. Und vielleicht solltest du beim nächsten Mal die beschnittenen Penisse auslassen.«
    »Ich werde daran denken«, erwiderte ich steif. »Freilich bezweifle ich, dass es ein nächstes Mal geben wird.«
    »Bislang hast du wahrlich an deinem Besuch hier nicht viel Freude gehabt, alter Knabe!« Er klopfte mir liebevoll auf die Schulter. »Erst musstest du die Gesellschaft dieses polnischen Ochsen ertragen, dann kommt vor deinem Fenster ein Mann auf grausame Weise ums Leben, und jetzt auch noch das unsägliche Benehmen dieser hirnlosen Narren, die deinen Ausführungen noch nicht einmal ansatzweise folgen konnten. Es tut mir wirklich leid. Aber jetzt können wir uns vielleicht auf unsere eigentliche Aufgabe konzentrieren«, fügte er hinzu, um anschließend seine Stimme zu senken. »Jedenfalls sind wir heute alle zum Dinner im Christ Church eingeladen, also lass uns ihren Weinkeller leertrinken, diese ganze leidige Angelegenheit vergessen und uns einen lustigen Abend machen, was meinst du?«
    Ich blickte zu ihm auf. Seine Bemühungen, mich aufzuheitern, rührten mich, sein lebhaftes Gebaren jedoch wäre das Letzte, was ich heute Abend ertragen könnte.
    »Danke, Philip, aber ich befürchte, ich wäre keine Bereicherung in eurer Tischrunde. Ich würde mich gerne viel lieber zurückziehen und meine Wunden lecken. Morgen bin ich dann zu jedem Abenteuer bereit, das verspreche ich dir.«
    Obwohl er enttäuscht wirkte, nickte er verständnisvoll.
    »Ich werde dich beim Wort nehmen. Wenn der Regen aufhört, wünscht der Palatin morgen im Shotover Forest zu jagen, und ich muss mich natürlich seinen Launen fügen. Aber das ertrage ich nur, wenn du mit von der Partie bist.«
    »Ich werde sehen, wie ich mich fühle. Warum nimmst du nicht deinen neuen Freund Gabriel Norris mit?«
    »Oh, ich habe ihn eingeladen, er hat morgen allerdings schon etwas anderes vor«, grinste Sidney, dem die Schärfe in meinem Ton nicht entgangen war. »Nicht dass mir das allzu viel ausmachen
würde – der junge Prahlhans ist mit dem halben Inhalt meiner Geldbörse nach Hause gegangen. Erinnere mich daran, dass ich nie wieder mit ihm Karten spiele!«
    »Ich komme mit, wenn ich morgen wieder frisch und munter bin«, versprach ich.
    Norris hatte gemeint, der Wolfshund könnte aus dem Shotover Forest gekommen sein. Ich war zwar kein Jäger, wollte aber die Gelegenheit nutzen, nach einer Verbindung zu suchen. Sidney schüttelte mir die Hand, versetzte mir einen weiteren Schlag zwischen die Schulterblätter – die englische Art, Freundschaft unter Männern zur Schau zu stellen –, und ich legte den kurzen Weg zur Universität allein zurück.
    »Dio fulmini questi inglesi! «, fluchte ich, als ich um die Ecke in die Brasenose Lane bog. Wutentbrannt trat ich gegen einen auf der Straße liegenden Stein. »Si comportano come cani di strada  – nein, sie sind schlimmer als Straßenköter! Gab es je einen derart kleingeistigen, arroganten, selbstverliebten Menschenschlag wie die Männer auf dieser elenden Insel? Sie sind genauso wenig imstande, über neue Philosophien und wissenschaftliche Theorien nachzudenken wie dazu, Speisen zu würzen! Offenbar hat der ewige Regen ihre Hirne in Brei verwandelt. Einen Mann nicht wegen seiner Worte zu verhöhnen, sondern allein deshalb, weil er das Glück hatte, fern

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