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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Gouvernante schicken, die mir Gehorsam beibringt. Vielleicht erweist sich das für mich als vorteilhaft«, fügte ich spitz hinzu, ehe ich mit vor Wut hämmerndem Herzen die Tür hinter mir schloss.
    Diener Adam reichte mir meinen Umhang und wünschte mir mit einem verächtlichen Schnauben eine gute Nacht. Ich raffte das Kleidungsstück lediglich zusammen, ohne ihm zu danken, und eilte zur Tür. Wäre ich auch nur einen Moment länger in der Nähe dieser unerträglichen Menschen geblieben, wäre an diesem Tag ein weiterer Mord gut möglich gewesen.

8
    Am Sonntagmorgen wachte ich schon vor Tagesanbruch auf, blieb auf meinem schmalen Holzbett liegen und beobachtete, wie fahles Licht durch den Spalt zwischen den beiden schweren Vorhangschals fiel und Muster an die Decke malte. Ich hatte schlecht geschlafen; der Ärger über die Art, wie ich von Underhill und seinen Kollegen behandelt worden war, hatte unaufhörlich an mir genagt. Während der langen wachen Stunden hatte ich beschlossen, dass es trotz der noch anstehenden gerichtlichen Untersuchung und des königlichen Besuchs sinnlos sei, noch länger in Oxford zu bleiben; beim ersten Tageslicht würde ich mein Pferd aus dem Stall des Rektors holen und mich auf den Weg nach London machen. Mir war bewusst, dass ich nicht viel herausgefunden hatte, was für Walsingham von Nutzen wäre, außerdem würde er meine überstürzte Abreise sicher nicht gutheißen, aber ich war hier offensichtlich in solch hohem Maße unwillkommen, dass ich seinen Plan, das Vertrauen der Fellows zu erringen und so an Informationen zu gelangen, schwerlich in die Tat würde umsetzen können. Seufzend drehte ich mich auf die Seite, wickelte mich zum Schutz vor dem kühlen Luftzug fester in meine Decke und ließ es zu, dass meine Gedanken zu Sophia zurückwanderten; diese waren mit ein Grund dafür gewesen, dass ich vergangene Nacht lange wachgelegen hatte – jene war ein guter Grund, in Oxford zu bleiben, und ein noch zwingenderer dafür abzureisen. Mir wurde klar, dass ich schon seit geraumer Zeit keiner Frau mehr so nah gewesen war wie ihr
am Abend zuvor, als sie in meinen Armen fast ohnmächtig geworden wäre, und das Verlangen, das mich in diesem Moment überkommen hatte, hatte mich in eine nicht geringe Verwirrung gestürzt. Ich fragte mich, ob sie es ebenfalls gespürt hatte. Im Laufe unserer Unterhaltung hatte sie mich mehrmals so offen angesehen, als wollte sie, dass ich etwas in ihren Augen lesen würde, doch ich wusste, dass ich mich ihr als Gast ihres Vaters nur sehr vorsichtig nähern dürfte. Im Übrigen fiel mir ein, mit wie viel Mitgefühl sie von dem Umstand gesprochen hatte, dass ihr Vater sein ganzes Leben lang von der Gunst einflussreicher Männer abhängig gewesen wäre. Befand ich mich nicht in derselben Lage? Ich besaß weder Geld noch Grundbesitz, konnte einer jungen Edelfrau nichts bieten außer meiner Zuneigung, und ich wusste aus Erfahrung, dass ein Vater darauf bei einem Verehrer seiner Tochter wenig Wert legte. Also konnte ich ihr nicht den Hof machen, wie es sich gehörte, und obwohl die flüchtige Berührung am Abend davor meine Begierde mit Macht geweckt hatte, war Sophia mir für eine flüchtige Verführung zu schade. Ich wollte sie unbedingt wiedersehen, hatte indes keine Ahnung, worauf ich hinsichtlich unserer Beziehung eigentlich hoffte. Meine Gedanken kreisten – und blieben erneut an dem Ausdruck hängen, der über ihr Gesicht gehuscht war, als ich ihr das kopernikanische Diagramm gezeigt hatte: das kurze Aufleuchten ihrer Augen beim Anblick des Radsymbols. Was wusste Sophia, und wie konnte ich sie dazu bringen, sich mir anzuvertrauen?
    Das Vogelgezwitscher wurde lauter. Ich schlug die Decke zurück, durchquerte den Raum, zog die Vorhänge zurück und blickte über den Hof des Lincoln hinweg, während sich am Himmel zwischen den Wolken die ersten rötlichen Lichtstreifen zeigten. Der Regen hatte aufgehört, allerdings ließ sich nicht mit Sicherheit sagen, ob die Straße nach London nach dem schlechten Wetter der letzten Tage passierbar sein würde. Die Pflastersteine des Hofes glänzten noch vor Nässe, blassrote Himmelsfetzen spiegelten sich in den zahlreichen Pfützen wider. Von
meinem Fenster aus konnte ich die Zeiger der Uhr nicht erkennen, ich beschloss dennoch, mich bereits anzukleiden. Sowie die Universität zum Leben erwachte, könnte ich Cobbett fragen, wie ich an mein Pferd gelangen konnte. Ich fragte mich, ob ich mich unter dem Vorwand dringender

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