KGI: Blutiges Spiel (German Edition)
habe Entscheidungen getroffen, die ich hinterher bedauert habe. Ich weiß, wie es ist, wenn man mit Gewissensbissen leben muss. Ich lebe jeden Tag damit. Aber ich weiß auch, dass ich keinen Morgen mehr vom Bett aufstehe, wenn ich mich davon beherrschen lasse.«
Dieses Geständnis ging ihr nahe. Ganz kurz hatte sie einen Blick hinter die Fassade dieses nach außen hin so selbstbewussten, unerschütterlichen Mannes werfen können. Irgendwie beruhigte sie das, und es gab ihr das Gefühl, eher eine gemeinsame Basis zu haben.
Er starrte sie an. Keiner sagte ein Wort. Sie wollte diesen Moment einer echten Verbindung zwischen ihnen nicht unterbrechen. Seine Worte waren weit mehr gewesen als eine unverbindliche Plauderei. Viel hatte er nicht gesagt, das Wenige aber war gewichtig. Sie war nicht der einzige Mensch, der Fehler beging – allerdings kamen ihr ihre Fehler unendlich größer und deren Folgen viel weitreichender vor, aber letztlich konnte sie das Ausmaß seiner Fehler gar nicht beurteilen.
»Was ist in Boston passiert, Sarah?«
Sarahs Gesicht wurde bleich wie die Laken auf dem Bett. Ihre Arme klammerten sich um das Kissen, und sie vergrub ihren Kopf darin, bis nur noch die Augen zu sehen waren. Verflucht, er wollte sie nicht derart einschüchtern, aber er musste ihr diese Information entlocken.
»Ich muss wissen, was du gesehen hast«, fuhr er sanft fort. »Ich muss wissen, in welcher Gefahr du schwebst.«
Falls überhaupt möglich, wurde sie noch blasser. Sie schloss die Augen, und als sie sie wieder aufschlug, sah er in ihnen eine Verletzlichkeit, dass er sie am liebsten in den Arm genommen und einfach nur festgehalten hätte.
»Ich musste aus Boston weggehen, das war das Beste, was ich tun konnte«, antwortete sie schließlich. »Ich kann nicht mehr zurück. Damit habe ich mich abgefunden.«
»Dann willst du also den Rest deines Lebens auf der Flucht verbringen? So kann man nicht leben. Und so musst du auch nicht leben. Du musst …«
Verzweifelt raufte er sich die Haare. Seine Heuchelei war ihm zutiefst zuwider. Es ging ihm völlig gegen den Strich, dass er sie um etwas bitten musste, worauf er angesichts seines Betrugs an ihr kein Recht hatte. »Du musst mir vertrauen.«
Ausdruckslos schaute sie ihn an. »Ich traue niemandem.«
Die Aussage traf ihn in ihrer Schonungslosigkeit bis ins Mark. Hinter ihrer unbewegten Miene verbarg sich eine Fülle an Gefühlen, das wusste er.
»Sarah.«
Ihr Blick richtete sich wieder auf ihn. Sie blinzelte.
»Du kannst mir vertrauen.«
Und das war die Wahrheit. Sie konnte ihm ihr Leben anvertrauen. Ihr Wohlergehen. Er würde alles tun, um ihre Sicherheit zu garantieren. Er war ihr gegenüber nicht aufrichtig, damit musste er leben. Aber sie konnte sich auf ihn verlassen. Hundertprozentig. Niemand würde ihr wehtun.
Irgendwie musste er es schaffen, ihren Bruder zur Strecke zu bringen und sie gleichzeitig zu beschützen. Natürlich würde sie das als Verrat betrachten. Sie war viel zu loyal, zu gutherzig, als dass sie sein Vorgehen akzeptieren würde. Aber er handelte richtig, und irgendwann würde sie das auch verstehen – mochte es auch noch so lange dauern. Ihm blieb keine andere Wahl.
Er sah ihr an, wie sie mit sich rang. Ihr innerer Kampf spiegelte sich in ihrem Gesicht, in ihren Augen wider. Er sah den drängenden Wunsch, ihm zu vertrauen. Sie war so argwöhnisch, und zugleich sehnte sie sich nach jemandem, an den sie sich anlehnen konnte. Und diese Stütze wollte er sein.
»Sarah.«
Erneut schaute sie ihm in die Augen.
»Du kannst mir vertrauen.«
Die Lüge, die keine Lüge war. Aber wann war denn jemals etwas einfach und unkompliziert? Das Leben bestand aus einer Ansammlung der verschiedensten Grautöne. Und auch wenn er normalerweise dazu neigte, alles in Schwarz und Weiß einzuteilen, so erkannte er hier und jetzt, wie fließend die Grenzen zwischen Richtig und Falsch oft waren. Zwischen dem, was er tun musste, und dem, was er gern tun würde. Ein unauflösbarer Konflikt, und das gefiel ihm gar nicht.
»Jetzt erzähl mir, was passiert ist, als Allen Cross ermordet wurde.«
Sie kämpfte gegen die Tränen an, blinzelte sie weg, schluckte und richtete sich auf. »Ich habe gesehen, wie er starb. Ich kam zu spät. Ich kam zu spät.«
Garrett runzelte die Stirn und beugte sich vor. »Zu spät wofür?«
»Ich hätte es verhindern können. Großer Gott, ich hätte ihn aufhalten müssen.«
Der Kummer überwältigte sie. Er fühlte sich alles andere als
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