KGI: Blutiges Spiel (German Edition)
alles Mögliche, ohne es so zu meinen.«
»Er hat es so gemeint.«
»Er hat es so gemeint«, wiederholte sie düster. »Er hat so viel Zeit mit mir verbracht, dass seine im Zorn ausgestoßenen Drohungen bei mir langsam in Vergessenheit gerieten. Er ist mit mir ausgegangen, hat mich gedrängt, etwas zu essen, hat mich wieder zum Lachen gebracht. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn getan hätte. Er hat mir das Leben gerettet. Das klingt jetzt fürchterlich dramatisch, ich weiß, und ich weiß auch, dass du mich wahrscheinlich immer noch für völlig durchgeknallt hältst, aber damals war es wesentlich schlimmer. Es fühlte sich an, als wäre etwas in mir irreparabel zerbrochen. Ich bin immer naiv gewesen. So gut kenne ich mich selbst. Immer wurde mir vorgehalten, ich wolle in jedem Menschen stets nur das Beste sehen. Diese Eigenschaft hat Allen Cross mir genommen. Nicht in Tausend Jahren hätte ich mir vorstellen können, dass er mir so etwas antut. Ich habe mich immer als guten Menschen gesehen. Ich habe nie vorsätzlich jemandem Schaden zugefügt. Es hat mich in meinen Grundfesten erschüttert, dass mir so etwas zustoßen konnte, und das wiederum hat in mir Rachegelüste geweckt. Zuvor habe ich nie jemanden richtiggehend gehasst, aber als ich ihn da am Boden liegen sah, habe ich mich gefreut.«
Garrett konnte es nicht länger ertragen, den Schmerz in ihrer Stimme. Ihr unfassbares Leid war beinahe körperlich spürbar. Er zog sie an sich, schlang die Arme um sie und drückte ihre Wange an seine Brust. Sie ließ ihn gewähren, auch als er ihr mit der Hand durchs Haar fuhr. Er schloss die Augen und drückte seine Lippen auf ihren Kopf.
Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme gedämpft durch sein Hemd. Er zog sie noch enger an sich, drehte sich aber so, dass er sie verstehen konnte.
»Marcus fing an, Pläne zu schmieden. Er wollte mich wegbringen, und ich habe es alles ihm überlassen. Damals dachte ich, er machte sich immer noch Sorgen und wollte mich irgendwo unterbringen, wo er ein Auge auf mich haben konnte und ich weit weg von dem Ort sein würde, wo das alles passiert war. Was er vorhatte, wurde mir erst an dem Tag klar, als wir abreisen wollten. Ich hatte gepackt, Marcus hatte alles vorbereitet. Seine Privatmaschine wartete auf uns. Plötzlich sagte er, er habe noch einen Termin. Er bat mich zu warten. Er werde seinen Chauffeur schicken, sobald er alles erledigt habe. Wir würden uns am Flughafen treffen. Wenn ich damals nicht wie in einem undurchdringlichen Nebel gelebt hätte, wäre mir viel früher klar geworden, dass Marcus diese Sache niemals auf sich beruhen lassen würde. Dazu war er viel zu wütend. Aber so war es. Ich habe nicht nachgedacht. Ich hätte mir nie vorstellen können …«
Garrett drückte sie sanft und streichelte ihren Arm, um sie zu trösten.
»Ich glaube, den Rest kenne ich«, sagte er leise. »Du wolltest Marcus aufhalten, aber Allen war schon tot. Und ich glaube, ich weiß auch, warum du abgehauen bist, anstatt dich an den Plan zu halten, mit deinem Bruder wegzufliegen.«
Sie drehte sich und schaute zu ihm hoch, kuschelte sich dadurch noch enger an ihn. Er hielt sie fest. »Wenn ich geblieben wäre – wenn mich jemand am Tatort gesehen hätte –, dann wäre ich entweder verdächtig gewesen oder gezwungen worden, gegen Marcus auszusagen. Niemand weiß, dass wir Geschwister sind. Kein Mensch würde irgendeine Verbindung zwischen uns herstellen. Es war besser, ich hielt mich von ihm so fern wie nur möglich.«
Garrett war innerlich hin- und hergerissen. Wenn er Lattimer nicht so sehr hassen würde, würde er ihm die Hand schütteln, weil er es dem Schweinehund heimgezahlt hatte. Ihn zu Fall zu bringen, hatte jetzt nicht mehr den gleichen Reiz wie zuvor. Sarah war von einem Menschen, dem sie vertraut hatte, bitter enttäuscht worden, und jetzt wurde sie erneut verraten von einem Mann, der sie um ihr Vertrauen gebeten hatte, obwohl er wusste, welchen Preis sie dafür würde zahlen müssen.
Einen Moment lang war sie still, dann legte sie den Kopf wieder an seine Schulter und fuhr mit der Hand seinen Arm bis zur anderen Schulter hoch.
»Ich verdanke Marcus so viel. Ich kann mich nicht – ich darf mich nicht gegen ihn einspannen lassen. Er hätte das nie tun dürfen, aber er hat es für mich getan, weil er mich liebt. Ich weiß, dass er seine Fehler hat. Ich vermute auch, dass er viele unschöne Dinge in seinem Leben getan hat, aber glauben und wissen sind zweierlei. Und egal, was
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