KGI: Blutiges Spiel (German Edition)
wohl in seiner Haut beim Anblick ihrer Qualen, und am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und das Thema fallen gelassen. Aber eine solch dumme, gefühlsduselige Reaktion konnte er sich nicht leisten. Dafür stand zu viel auf dem Spiel.
»Wie hättest du es verhindern können? Hat dein Bruder Cross gedroht?«
»Marcus droht nicht. Er handelt.«
An ihrer Stimmlage konnte er nicht erkennen, ob sie das als Vorwurf oder als reine Feststellung meinte. Stolz hatte er jedenfalls nicht herausgehört.
Wenn es um Frauen ging, konnte er sich nicht unbedingt auf seine Intuition verlassen, aber dennoch schlugen nun sämtliche Alarmglocken bei ihm an. Das Bild vervollständigte sich allmählich. Wieso er nicht schon früher darauf gekommen war, wusste er selbst nicht. Aber die Tatsachen ließen sich nicht leugnen, und ihn überkam die böse Vorahnung, dass er ganz genau wusste, weshalb Marcus Lattimer Allen Cross in dessen Büro kaltblütig erschossen hatte.
Als er ihr wieder in die Augen schaute, sah er darin sehr viel mehr als noch vor fünf Minuten. »Wer hat dir wehgetan, Sarah?«
Erneut wurde ihr Blick stumpf, als wären ihre Pupillen plötzlich tiefgefroren.
»Keine Ahnung, wovon du redest.«
Die Worte kamen zögernd, ohne innere Überzeugung.
Er nahm ihre Hand. Sie versuchte, sie wegzuziehen, aber er hielt sie fest und rieb mit dem Daumen sanft über ihre Finger. »Du bist scheu wie ein misshandeltes Tier. Jemand hat dir wehgetan. Ich glaube, ich habe endlich kapiert, was geschehen ist und warum.«
»Warum fragst du dann, wenn du schon alles weißt? Du bist von allein draufgekommen, da muss ich nicht mehr mein Innerstes nach außen kehren.«
Der bittere Klang ihrer Stimme brachte ihn aus dem Konzept. Auch wenn er sie wegen Lattimer angelogen hatte, in einer Sache wollte er rückhaltlos ehrlich zu ihr sein.
»Ich muss es wissen«, sagte er. »Ich muss es wissen, weil ich nicht mit dem permanenten Wunsch, dich zu küssen und zu berühren, leben kann, wenn ich gleichzeitig weiß, dass du dich ständig fürchtest. Nicht nur vor mir, sondern vor Männern schlechthin.«
Verblüfft riss sie die Augen auf.
»Ich möchte nicht, dass du Angst vor mir hast, Sarah. Und vor allem möchte ich, dass du mir dein Vertrauen schenkst. Wenn ich dich berühre, sollst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass ich dir nie wehtun könnte. Und ich möchte, dass du mich berührst.«
Wie sehr er sich Letzteres wünschte, merkte er erst, als er die Worte ausgesprochen hatte. Er wollte ihre weichen Hände auf seinem Körper spüren. Seine Lenden schmerzten und pochten. Er wollte, dass sie seinen Schwanz umfasste, ihn zart streichelte, dann immer fester. Er wollte sie spüren, Körper an Körper, und sie von oben bis unten betrachten.
Er wollte sie kosten und gekostet werden. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn, und sein Atem wurde immer flacher, bis es ihm peinlich wurde. Er sehnte sich nach ihr wie ein Schwachkopf, denn sie drückte unerklärlicherweise die richtigen Knöpfe bei ihm, selbst solche, die er noch gar nicht kannte.
Er wollte mit ihr schlafen. Er wünschte sich, dass sie ihm so weit vertraute, diesen Schritt zu wagen. Er wollte ihr beweisen, dass er ihr nie wehtun könnte.
Ihre Überraschung verwandelte sich in Schmerz. Er hasste die Traurigkeit, die tief in ihr steckte. Es war, als würde er den Übergang von Tag zu Nacht beobachten, wenn langsam die Lichter ausgingen und Schatten sich wie Sturmwolken über ihre Augen legten. Sie zog die Hand weg, und diesmal ließ er es zu.
»Du hast recht, Garrett.« Sie klang tapfer, aber ihre Stimme zitterte, so sehr strengte sie dieses Eingeständnis an. »Jemand hat mir wehgetan. Schlimmer noch, er hat mir etwas genommen, das ich vielleicht nie wieder zurückbekommen kann.«
Er konnte die Wut, die mit jedem Atemzug schlimmer wurde, kaum noch zügeln. Er zwang sich zur Ruhe und unterdrückte eine Reaktion auf ihre Worte. Sie schien so zögerlich – und verletzlich –, fast als erwarte sie, er würde sie nun fallen lassen, als hätte sie die Pest.
Aber er wusste es. Er wusste, dass Cross derjenige war, der sie vergewaltigt hatte. Die Puzzleteile fügten sich nun zusammen: ihre Kündigung bei Cross und die Tatsache, dass sie seither auch keine neue Stelle angetreten hatte.
Nun erkannte Garrett auch, warum Lattimer dieses Schwein umgebracht hatte, und sosehr Garrett Lattimer hasste, in diesem Punkt verstand er ihn. Lattimer war aus vielerlei Gründen
Weitere Kostenlose Bücher