KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
Grillen.
Am höchsten Punkt der Brücke wurde sie automatisch langsamer. Dort war eine Woche zuvor ein Sattelschlepper durch das Geländer gebrochen. Man hatte zwar orangefarbene Markierungen aufgestellt, ansonsten die Lücke jedoch nicht verbarrikadiert.
Aus Sicherheitsgründen war die rechte Spur gesperrt, und der gesamte Verkehr wurde auf die linke umgeleitet. Als Rachel auf Höhe der Gefahrenstelle war, beschleunigte sie, um sie rasch hinter sich zu bringen.
Plötzlich traf sie ein so heftiger Stoß, dass sie gegen das Lenkrad prallte. Der Sicherheitsgurt straffte sich und warf sie in den Sitz zurück. Jemand war ihr hinten aufgefahren. Schlimmer noch: Er hatte ihren linken Kotflügel gestreift, ihr Wagen war herumgeschleudert und befand sich nun direkt vor dem klaffenden Loch im Brückengeländer.
Als sie sich gerade umdrehen wollte, traf sie ein zweiter Stoß. Vom Geräusch des knirschenden Metalls wurde ihr übel. Ihr Pick-up machte einen Satz auf den Abgrund zu. Sie schrie vor Entsetzen auf. Rachel trat das Bremspedal beinahe durch den Boden, als könnte bloße Willenskraft den Sturz in die Tiefe verhindern.
Der Wagen wurde erneut getroffen, ihr Kopf nach vorne geschleudert. Der vordere Teil des Pick-ups rutschte über den Fahrbahnrand und schwebte in der Luft. Sie schloss die Augen und rechnete jeden Moment mit dem Aufschlag im eiskalten Wasser des Sees.
Nach einigen Sekunden schlug sie die Augen vorsichtig wieder auf. Die Sonne schien immer noch durch die Windschutzscheibe, die nun jedoch bedenklich auf und ab wippte.
Großer Gott. Sie hing halb über dem Rand und schaukelte langsam auf und nieder. Die geringste Bewegung konnte zum Absturz führen.
Sie rührte keinen Finger, wagte kaum zu atmen. Nur ihr Blick schoss ihn und her, von links nach rechts und zurück, auf der Suche nach einem Ausweg. Sie krallte sich so fest an das Lenkrad, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie war noch angegurtet, aber sie wagte es nicht, das Lenkrad loszulassen, um den Gurt zu lösen.
Wie gebannt saß sie da, als plötzlich ein leichter Ruck durch das Fahrzeug ging. Von allen Seiten hörte sie Stimmen, konnte aber den Kopf nicht drehen. Sie starrte weiter stur geradeaus und fragte sich, ob sie den Sturz von der Brücke wohl überleben würde.
Ethan hatte unzählige Trainingseinheiten im Wasser absolviert. Während seiner Zeit bei den SEAL s hatte er praktisch im Wasser gelebt. Verzweifelt durchforstete sie ihr Gehirn nach irgendeinem hilfreichen Hinweis. Sie stieß ein hysterisches Lachen aus. Wie man sich aus einem untergehenden Wagen befreite, darüber hatten sie sich nie unterhalten. So viel stand fest.
Die Stimmen kamen näher. Bestimmt würden die Leute nicht versuchen, sie herauszuziehen. Panik ergriff sie. Langsam und vorsichtig drehte sie nun doch den Kopf, bis sie aus den Augenwinkeln zum Seitenfenster hinaussehen konnte. Zwei Männer standen etwa einen Meter entfernt und schrien auf sie ein. Was wollten sie? Wenn das Rauschen in ihren Ohren nachlassen würde, würde sie es vielleicht verstehen.
Sie atmete einige Male gleichmäßig ein und aus, um sich zu entspannen.
Bewegen Sie sich nicht! Bleiben Sie, wo Sie sind.
Ja, das hatte sie verstanden. Keine Bange. Wo sollte sie auch hingehen? Sie würde höchstens abstürzen.
Kurz darauf hörte sie Sirenengeheul. Erleichtert atmete sie auf. Die Profis würden bestimmt wissen, wie sie hier rauskäme.
Vor Angst war ihr so schlecht, dass sie glaubte, sich übergeben zu müssen. Das Einzige, das sie davon abhielt, war die Gewissheit, dass das Auto dann wahrscheinlich endgültig das Gleichgewicht verlieren würde.
»Rachel! Rachel!«
Gott sei Dank. Sean. Sie versuchte, den Kopf in seine Richtung zu drehen.
»Nein! Beweg dich nicht, Süße. Bleib sitzen, okay? Wir sind bei dir. Wir holen dich raus, okay? Aber beweg dich um Himmels willen nicht.«
Die Sorge in seiner Stimme trug nicht gerade dazu bei, ihre angeschlagenen Nerven zu beruhigen. Der stets gelassene, unerschütterliche Sean klang ziemlich panisch.
Sie stöhnte leise. Im Pick-up war es brütend heiß. Schweißtropfen rollten ihr über die Wangen und zwischen den Brüsten hindurch. Sie atmete flach und hektisch, ihr wurde schwindlig.
Erinnerungen an die verhasste Hitzekammer stiegen in ihr hoch. Die Tage darin waren nahtlos ineinander übergegangen. Dass es Nacht wurde, hatte sie nur daran erkannt, dass die Temperatur für ein paar Stunden nicht ganz so unerträglich wurde. Doch dann hatte die
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