KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
Er zwängte sich an der Schwester vorbei.
Als er Rachel so im Bett liegen sah, wurde ihm ganz anders. Ihr eingegipster Arm lag auf dem Bauch, ansonsten hatte sie die Decke hochgezogen, als wollte sie sich immer noch vor etwas schützen. An einer Wange hatte sie eine dunkle Schramme. Ethan musste sich zusammenreißen, um seine Wut im Zaum zu halten.
Als er an ihr Bett trat, fielen ihm die dunklen Ringe unter ihren Augen auf. Sie hatte die Augen geschlossen und wirkte unglaublich zerbrechlich. Die Schwester hatte ihr die Haare gewaschen, die nun auf dem Kopfkissen ihr Gesicht umrahmten. Er musste ihr bei erster Gelegenheit etwas Bequemeres als das dünne Krankenhaushemd besorgen.
Er wollte sie streicheln, doch seine Hand zitterte so stark, dass er sie zurückzog und erst einmal seine Emotionen unter Kontrolle zu bringen versuchte.
Sie hatte so viel durchmachen müssen. Hatte er sie verloren? Hatte er sie endgültig verloren? Sie hatte nahezu aussichtslose Situationen überlebt, nicht nur einmal, sondern zweimal, aber erst, als sie die Wahrheit über ihre Ehe erfahren hatte, war in ihr etwas zerbrochen.
Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Die Härchen an den Schläfen fühlten sich an wie Seide. Ihre Haut war weich wie Samt. Er sog ihren Duft ein und genoss die Tatsache, dass sie am Leben war und wieder genesen würde.
»Ich liebe dich«, flüsterte er. »Das musst du mir glauben, Kleines. Das ist wichtiger als alles andere.«
»Ethan.«
Er blickte auf. Garrett stand mit sorgenvoller Miene im Zimmer und Sam unmittelbar hinter ihm.
»Hör mal, Mann, mir ist klar, dass ich vieles nicht weiß, was bei euch los ist, und ich will mich auch gar nicht in eure Angelegenheiten einmischen … «
Ethan starrte Garrett ausdruckslos an und wartete auf das große Aber.
»Sie liebt dich. Da gibt es gar keinen Zweifel. Sie hat dich immer geliebt. Was letzte Nacht passiert ist … das hat ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Aber sie liebt dich. Vergiss das niemals. Alles renkt sich wieder ein. Daran musst du fest glauben.«
Erleichtert atmete Ethan aus. »Danke, Garrett. Nach dem, was ich dir unterstellt habe … «
Garrett trat vor und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Schon vergessen.«
Ethan umarmte seinen älteren Bruder und ließ ihn gar nicht mehr los. Garrett drückte ihn an sich und verpasste ihm einen ordentlichen Schlag auf den Rücken.
»Na schön, Mädels, das reicht jetzt«, funkte Sam dazwischen. »Draußen warten Mom und Dad wie zwei Glucken und können es gar nicht mehr erwarten, Rachel wenigstens kurz zu sehen. Garrett und ich müssen mit dir reden, Ethan.«
Ethan blickte ihn an. »Worüber?«
»Ich hole erst mal Mom rein, damit sie bei Rachel bleibt. Ich möchte sie hier nicht allein lassen.«
In Sams Stimme schwang etwas mit, das Ethan gar nicht gefiel. Es war weit mehr als nur die Sorge um Rachel. Er nickte und wartete beunruhigt, während Sam wieder hinausging.
Sekunden später war er zurück, und gleich darauf steckte Marlene den Kopf zur Tür herein und warf ihren Söhnen kummervolle Blicke zu. Dann betrachtete sie Rachel.
»Meine Kleine«, flüsterte sie.
Frank stellte sich hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern.
Marlene ballte eine Hand zur Faust und drückte sie sich auf den Mund. »Ich musste sie einfach sehen. Ich bleibe nicht lange, aber ich musste mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass ihr nichts Ernsthaftes fehlt.«
Sam berührte sie am Arm. »Sie wird wieder gesund, Mom. Ganz bestimmt. Garrett und ich müssen kurz mit Ethan was besprechen. Du und Dad, könntet ihr eine Minute bei ihr bleiben?«
»Selbstverständlich«, gab Frank schroff zurück. »Geht nur, Jungs. Wenn Rachel aufwacht, holen wir euch.«
Als Ethan sich mit seinen Brüdern zur Tür wandte, trat seine Mutter auf ihn zu und umarmte ihn. »Wir bleiben, solange du uns brauchst. Wenn irgendwas ist, gibst du mir Bescheid, okay?«
Ethan küsste sie auf die Wange. »Mache ich, Mom. Keine Bange.«
Als Ethan Sam und Garrett auf den Gang hinaus folgte, bemerkte er den uniformierten Polizisten, der vor der Tür Wache schob. Fragend blickte er zu Sam, doch der schob ihn wortlos weiter den Flur hinunter.
Vor einem Fenster blieben sie stehen. Sam und Garrett nahmen ihn in die Mitte, fast, als wollten sie ihn beschützen. Das sah ihnen ähnlich. Als er zwölf gewesen war, hatten sie es genauso gemacht.
»Rachel hatte recht. Man hat tatsächlich versucht, sie von der
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