KGI: Tödliche Rache (German Edition)
schlecht.«
»Kannst du so lange stehen, oder würdest du dich lieber auf den Klodeckel setzen?«
Sie legte ihm die Hand auf die Brust und ließ sich langsam auf den Deckel nieder. Er schaltete den Föhn ein, wedelte ihn hin und her und fuhr dabei mit der Hand durch ihre Strähnen. Nach ein paar Minuten nahm er eine Bürste von der Ablage und kämmte ihre Locken.
Sie schloss die Augen und legte den Kopf leicht in den Nacken, als würde sie nach einem langen Winter die ersten Sonnenstrahlen genießen. Er machte immer weiter, bürstete und föhnte ihre Haare, bis sie leuchteten wie gesponnene Goldfäden.
»Seit ich ein Kind war, hat mir niemand mehr die Haare gebürstet«, sagte sie leise. »Ein wunderbares Gefühl.«
»Ich habe überhaupt noch nie einer Frau die Haare gebürstet«, gestand er kleinlaut.
Sie schlug die Augen auf und lächelte ihn im Spiegel an.
»Allmählich bekomme ich den Eindruck, dass du ein Experte darin bist, wie man Frauen die Klamotten vom Leib reißt und ihre Frisur zerzaust, aber du hast wohl wenig Ahnung davon, was danach kommt.«
»So viele Frauen waren es auch wieder nicht«, grummelte er.
Sie legte den Kopf leicht schräg, und er sah ihr an, welche Frage ihr auf der Zunge lag.
Erneut wurden sie von einem Klopfen unterbrochen. Erleichtert seufzte Sam auf und legte den Föhn beiseite.
»Es ist offen«, rief er.
Donovan steckte den Kopf herein. »Ich habe Moms Erste-Hilfe-Kasten hier, falls ich noch mal nach Sophies Nähten schauen soll. Mom will unbedingt den Doc holen, aber ich habe sie überzeugt, zu warten und euch erst zu fragen.«
»Ja, gut. Ich bringe Sophie ins Schlafzimmer, da habt ihr mehr Platz«, erwiderte Sam. »Sag Mom, sie soll sich zurückhalten. Hast du ihr unsere Lage nicht erklärt? Wir können nicht jeden hier in Stewart County anrufen und herkommen lassen.«
»Schon, aber du kennst doch Mom«, antwortete Donovan schmunzelnd.
Nachdem Donovan wieder verschwunden war, berührte Sam Sophie an der Schulter. »Schaffst du es?«
Versuchsweise erhob sie sich und lächelte dann. »Erstaunlich, was ein heißes Bad und frische Kleidung bewirken können.«
Dennoch nahm er sie bei der Hand und führte sie ins Schlafzimmer seiner Eltern.
»Sie soll sich einfach hinsetzen«, sagte Donovan, der auf die andere Seite des Betts ging. »Es dauert nur eine Minute.«
Sam beobachtete, wie Donovan Sophie vorsichtig das Shirt über die Schulter zog, damit er die genähte Wunde begutachten konnte.
Ungeduldig trat Sam einen Schritt vor. »Sieht es gut aus?«
Donovan drehte sich zu seinem Bruder um. »Ja, es sieht gut aus. Sehr gut sogar. Ich trage nur noch etwas entzündungshemmende Salbe auf und erneuere den Verband. Dann wird sie offiziell entlassen.«
Sam strich über Sophies Haar, das nun sauber glänzte. Sie schaute ihn an, und am liebsten hätte er sie weiter gestreichelt.
»Hast du noch Schmerzen? Donovan kann dir noch Tabletten geben.«
»Nur Ibuprofen.«
»Mom bereitet gerade ein Gelage vor«, sagte Donovan. »Kommt runter und esst was. Die Tabletten sollte Sophie lieber nicht noch mal auf leeren Magen nehmen.«
Sam sah Sophies sehnsüchtigen Blick und nickte Donovan zu. »Wir kommen gleich. Mom soll ein Tablett zurechtmachen, dann kann sich Sophie auf die Couch setzen, wo sie es bequemer hat.«
12
Sie war sauber, und ihr war warm. Und vor ihr stand ein Tablett mit mehr Essen, als sie jemals würde herunterbringen können – aber sie würde natürlich ihr Bestes versuchen. Es gab Hühnersuppe, Käsetoast, Kartoffelsalat und Schmorbraten mit Kartoffelbrei und Soße. Marlene hatte augenzwinkernd behauptet, sie habe ihren Kühlschrank leer geräumt und Sophie einfach von allem etwas gebracht, weil sie nicht gewusst habe, was ihr schmeckte.
Beim Anblick des Essens lief Sophie das Wasser im Mund zusammen. Als Erstes machte sie sich über die Hühnersuppe her. Ohne sich um das zu kümmern, was um sie herum vor sich ging, arbeitete sie sich durch die Teller und Schüsseln und ließ sich jeden einzelnen Bissen auf der Zunge zergehen.
Als das Sofa neben ihr einsank, sah Sophie hoch. Ein Mädchen im Teenageralter hatte sich zu ihr gesetzt und starrte sie neugierig an. Sie passte nicht so recht zum Rest der Familie Kelly – vielleicht wollte sie sich aber auch bewusst abgrenzen.
Durch ihre haselnussbraunen Haare zogen sich interessante grüne Strähnen, ihre Nase war gepierct, und in ihrem linken Ohr steckte ein Ohrring neben dem anderen. In den meisten Highschools
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