KGI: Tödliche Rache (German Edition)
wäre sie überhaupt nicht aufgefallen, aber hier, in diesem offensichtlich eher konservativen und sittenstrengen Haushalt, stach sie heraus wie eine orangefarbene Neonleuchte.
Das Mädchen starrte sie weiter hemmungslos an, und Sophie starrte genauso hemmungslos zurück. Es mochte zwar kindisch sein, aber sie hatte einfach keine Lust, dem durchdringenden Blick des Teenagers auszuweichen.
Schließlich rümpfte das Mädchen die Nase, wandte den Kopf und sagte grinsend zu Sam: »Sieht so aus, als wäre ich nicht die Einzige, der Marlene eine Standpauke zum Thema Verhütung halten muss.«
»Rusty, meine Güte«, wies Frank Kelly das Mädchen lautstark zurecht.
Sophie fuhr zusammen. Unauffällig musterte sie den stämmigen, schon etwas älteren Mann. Hunde, die bellen, beißen nicht, dachte sie bei sich, aber ob das auch auf ihn zutraf, konnte sie nicht sagen – dafür kannte sie ihn noch nicht lange genug.
»Wenn du deine Zunge nicht im Zaum halten kannst, geh gefälligst nach oben«, fuhr Frank fort. Dann fügte er, an Sophie gewandt, hinzu: »Diese vorlaute junge Dame da neben dir heißt Rusty. Hör nicht auf sie. Es macht ihr Spaß, meine Jungs dauernd aufzuziehen.«
Sophie schluckte den Bissen hinunter, den sie gerade im Mund hatte. Sollte sie nachfragen? Lieber nicht. Es ging sie nichts an, außerdem wollte sie auch gar nicht wissen, wer Rusty war.
Rusty beugte sich verschwörerisch zu ihr hinüber. »Ich bin die Streunerin. Marlene hat mich quasi adoptiert. Du hast doch sicher nicht gedacht, dass ich aus demselben Genpool stamme wie die da.« Sie deutete mit dem Daumen über die Schulter in Sams, Garretts und Donovans Richtung.
»Halt den Mund, Rusty«, fuhr Sean sie an. »Deine große Klappe können wir heute wirklich nicht brauchen.«
Überrascht sah Sophie den jungen Deputy an, der auf der anderen Seite des Zimmers stand.
Rusty zog einen Flunsch. »Du hast mir gar nichts zu sagen, Bulle. Geh lieber einen Donut essen.«
Rusty wandte sich wieder Sophie zu und verdrehte die Augen. »Noch so ein Streuner, den Marlene aufgelesen hat. Wobei ich ehrlich gesagt finde, dass er ihre Gastfreundschaft überstrapaziert.«
»Rusty«, knurrte Frank. »Es reicht, junge Dame.«
Überrascht stellte Sophie fest, dass Rusty sich gerade hinsetzte und nun tatsächlich schwieg. Sie hätte schwören können, dass Rusty den Patriarchen der Familie respektvoll und mit ehrlicher Zuneigung ansah.
Sophie dagegen war sich nicht so sicher, was sie von Frank halten sollte. Seit Sam sie auf dem Sofa abgesetzt hatte, ließ er sie nicht aus den Augen. In seinem Blick lag keine Anklage, aber er musterte sie sehr intensiv, und das war ihr unangenehm.
Sie konnte nur ahnen, welche Vermutungen er anstellte, aber wenn sie genauer darüber nachdenken würde, wäre das nur pure Quälerei für sie. Seine Vermutungen waren ja nicht unberechtigt, und sie hatte weder die Kraft noch den Wunsch, sie zu widerlegen.
»Bist du fertig, meine Liebe?«
Sophie sah hoch. Vor ihr stand Marlene und streckte die Hände nach dem Tablett aus.
»Ja, herzlichen Dank, Mrs Kelly. Es hat großartig geschmeckt.«
Marlene strahlte. »So eine höfliche junge Frau! Aber bitte, nenn mich doch Marlene. Niemand nennt mich Mrs Kelly, außer irgendwelchen Telefonverkäufern. Für die meisten Leute bin ich entweder Marlene oder Mom.«
Sie nahm das Tablett, und Sophie rutschte zur Seite, unfähig, den Kopf noch länger aufrecht zu halten. Sam hatte einen Stapel Kissen in ihren Rücken und neben sie gestopft und eine warme Decke über sie gebreitet, in die sie sich jetzt hineinkuschelte. Im Moment schien ihr niemand groß Beachtung zu schenken, also schaltete sie einfach ab und ließ die Gespräche an sich vorbeirauschen.
Sam sah, wie Sophies Kopf tiefer und tiefer und schließlich auf das Kissen sank. Auch seiner Mutter entging es nicht, und sobald Sophie die Augen geschlossen hatte, kam sie zu ihm herüber und starrte ihn durchdringend an.
»Du erzählst mir jetzt sofort, was hier los ist«, sagte sie leise, aber bestimmt. »Und zwar alles, nicht die beschönigte Version, die ich von deinen Brüdern zu hören bekommen habe.«
Sam stieß einen tiefen Seufzer aus. Müde fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. Wie er feststellen musste, blickte sein Vater ihn genauso durchdringend an wie seine Mutter.
Verdammt.
»Sie ist mit meinem Enkelkind schwanger«, sagte Frank.
Dad kam immer gleich zur Sache, darauf konnte man sich verlassen. Um den heißen Brei
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