KGI: Tödliche Rache (German Edition)
Vorne drauf stand lediglich: »304 Dringend«. Dreimal unterstrichen.
Er warf einen Blick zu Sophie, die sich aufgesetzt und die Decke bis unters Kinn gezogen hatte. Dann riss er das Siegel auf und förderte ein Blatt Papier zu Tage.
Erst kapierte er die kurze Nachricht gar nicht. Dann aber konnte er nicht glauben, was er da las. Wollte ihn jemand verarschen? Er musste sofort zu seinen Leuten. Vielleicht war es ja nur ausgemachter Blödsinn, es konnte aber auch der erste richtige Durchbruch für KGI sein, um Alex Mouton und seinen weit verzweigten Waffenhandel endlich auffliegen zu lassen.
Zwei Wochen lang hatten sich Sam und seine Brüder als potenzielle Käufer ausgegeben und versucht, mit Mouton in Kontakt zu treten. Ohne Erfolg. Entweder war der Mann extrem misstrauisch, oder er hatte kein Interesse an neuen Kunden. Sam hatte daraus den Schluss gezogen, dass er von seiner aktuellen Klientel mit Geld geradezu überhäuft werden musste.
Ihm lief es kalt den Rücken hinunter. Was sollte die anonyme Warnung? Wer wusste, was die Kelly Group tatsächlich vorhatte? Sie waren vorsichtig gewesen, hatten alles richtig gemacht und sich unauffällig unter die Einheimischen gemischt. Kein Mensch konnte auf die Idee kommen, sie wären etwas anderes, als sie zu sein vorgaben. Auch dass sich Sam an Sophie herangemacht hatte, war von langer Hand geplant und Teil ihrer Tarnung gewesen. Denn welcher Idiot würde auf einer geheimen Mission schon seine Zeit mit einer Kellnerin im Bett verplempern?
»Sam, stimmt was nicht?«
Ihre sanfte Stimme drang zu ihm durch und löste seine Anspannung ein wenig. Er prägte sich die Notiz ein, zerknüllte dann den Zettel, steckte ihn in die Hosentasche und konzentrierte sich wieder auf Sophie. Sophie, die nackt auf seinem Bett saß und die er nie wiedersehen würde.
Er ging zu ihr und setzte sich neben sie. Verwirrt schaute sie ihn an. Aber da war auch noch etwas anderes in ihren Augen. Ein Anflug von Angst?
Er streichelte ihre Wange, um sie zu beruhigen. »Ich muss los. Es ist was dazwischengekommen. Etwas Wichtiges.«
Sie biss sich auf die Unterlippe. »Na gut.«
Er holte tief Luft. Der nächste Satz kam ihm nur schwer über die Lippen.
»Ich weiß nicht, wann – ob – ich zurückkomme.«
Ihr Gesicht erstarrte zur leblosen Maske. Ihre sonst so ausdrucksstarken Augen schienen ihn wie aus weiter Ferne anzuschauen.
»Ich verstehe.«
Bevor er noch etwas hinzufügen konnte, legte sie ihm die Arme um den Hals. Die Bettdecke fiel ihr auf den Schoß und entblößte ihre Brüste. Sie küsste ihn. Nur einmal. Aber mit all der Leidenschaft, mit der sie für kurze Zeit sein Leben bereichert hatte.
Er genoss den Geschmack und das Gefühl und wusste doch, dass er beides nie wieder erleben würde. Was er sehr bedauerte.
»Pass auf dich auf«, sagte sie leise.
Er berührte ihre Wange und küsste sie noch einmal. »Versprochen.«
Sophie wartete, bis sie sicher sein konnte, dass Sam endgültig weg war. Dann zog sie sich hastig an und überprüfte, ob sie nichts liegen gelassen hatte. Im Bad fasste sie die Haare in einem Knoten zusammen und steckte eine Nadel durch.
Die Frau, die ihr aus dem Spiegel entgegenblickte, war jung und sah gleichzeitig erfreulich knackig und trügerisch unschuldig drein. Sie war weder das eine noch das andere, wusste jedoch, dass die Leute in der Regel nur das sahen, was sie sehen wollten. Niemand hatte ihr groß Beachtung geschenkt, geschweige denn sie für eine Bedrohung gehalten.
Aber das würde sich noch heute ändern.
Ein letztes Mal schaute sie sich im Zimmer um und entdeckte Sams Messer auf dem Fußboden, wo es gelandet war, nachdem er ihr die Träger des BHs durchtrennt hatte. Sie hob es auf und verstaute es in ihrer Tasche. So würde es keinen Beweis geben, dass er jemals hier gewesen war, außerdem konnte es ihr vielleicht noch nützlich werden.
Sie holte tief Luft, öffnete vorsichtig die Tür und warf einen Blick in den Flur. Als sie niemanden sah, lief sie an dem Korridor, der zum Aufzug führte, vorbei zur Treppe.
Im Erdgeschoss befanden sich zwei Türen, eine führte zur Hotellobby, die andere ins Freie auf eine Nebenstraße. Dort wartete ein Wagen auf sie. Sie straffte die Schultern und marschierte zu dem dunklen Mercedes. Der Fahrer stieg aus, ein finster wirkender Mann in dunklem Anzug und mit einer Sonnebrille, die seine Augen vollständig verbarg. Er hatte weder Namen noch Gesicht, wie alle in der Organisation ihres Vaters – wie sie selbst
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