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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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Kammer elfhasieben. Schnappen Sie sich einen Elfer aus der stehenden Wache. Der zeigt Ihnen, wo das ist.«
    »Danke, Herr Kap’tän. Aber ich kenn mich auf den 123ern 14 aus.«
    Der Offizier fixierte Schumann einen Moment und fuhr fort: »Okay, dann nehmen Sie ihn nur fürs Gepäck, Oberstaber.«
    »Danke, Herr Kap’tän. Wird gemacht.«
    Jung übergab seine Schwimmweste einem Decksmatrosen und humpelte hinter dem IO her. Sie durchquerten eine Schleuse, deren schwere Stahlschotten sich unter Zischen öffneten, und betraten das Schiffsinnere. Es wurde unangenehm kühl. Nur ein paar Stufen höher führte ihn der IO einen kurzen Gang entlang zu einem Schiebeschott, das er mit einem kurzen, kräftigen Ruck öffnete.
    Der Raum war bis unter die niedrige Decke vollständig zugestellt mit Schränken, Monitoren, Borden, Karten, Clipboards, Tafeln, Stahlhelmen, Schwimmwesten und Schutzmasken. In der Mitte stand ein langer, schmaler Stahltisch, an dem ein halbes Dutzend Soldaten an ihren Laptops hantierte oder sich leise unterhielt. An der Stirnseite saß ein Admiral und blätterte in einem Stapel Fernschreiben.
    »Herr Admiral, melde Oberleutnant Jung an Bord«, meldete der IO.
    »Na endlich, da ist er ja. Guten Abend, Herr Oberleutnant. Willkommen an Bord. Hatten Sie einen guten Flug?«
    »Guten Abend, Herr Admiral. Melde mich wie befohlen.« Etwas Besseres fiel Jung nicht ein. Er war schrecklich müde und seine Wade schmerzte.
    »Warum kommen Sie mitten in der Nacht? Wir hatten Sie am Nachmittag erwartet.«
    »Der Abflug hat sich verzögert, Herr Admiral«, erwiderte Jung lahm.
    »Schade. Wir hätten Sie sonst mit dem Hubschrauber an Bord gebracht. Aber im Dunkeln geht das in dieser Ecke der Welt leider nicht.«
    Jung war kurz davor, in ein verzweifeltes Kichern auszubrechen.
    »Der Oberleutnant ist verletzt. Er humpelt«, schaltete sich der IO ein.
    »Was, verletzt? Wo?«
    »Meine rechte Wade schmerzt höllisch, Herr Admiral«, antwortete Jung.
    »Gehen Sie gleich runter ins Revier. Wir haben einen sehr geschickten San-Maaten. Ist im Zivilberuf Masseur. Der wird das richten, das können Sie mir glauben.« Der Admiral grinste süffisant. »Sie kommen morgen zum Briefing. Bei dieser Gelegenheit werden Sie dem Stab vorgestellt. Aber jetzt kümmern Sie sich erst mal um Ihr Bein. Gute Nacht.«
    Sie verließen den Raum und der Erste Offizier schob das Blechschott hinter ihnen zu.
    »Ich bin hundemüde und möchte nur ins Bett, Herr Kap’tän«, wandte sich Jung dem IO zu.
    »Bei uns heißt das Koje. Keinen Mittelwächter mehr?«, fragte der ihn.
    Jung hätte ihn am liebsten angebrüllt, endlich Klartext mit ihm zu reden und sich verständlich auszudrücken. Aber er entgegnete nur resigniert: »Nein.«
    Der IO musterte ihn einen Moment und sagte dann leise: »Okay, ich bring Sie runter in Ihre Kammer.«
    Er öffnete neben sich ein schweres Stahlschott, das einen Treppenschacht freigab. Für Jungs Wade war der Abstieg in das nächste Deck eine Tortur. Bei dem Versuch, auf dem steilen und engen Niedergang sein Bein zu schonen, stieß er sich den Kopf an einem vorstehenden Stahlträger. Vor ihm musste dieses Missgeschick schon vielen anderen passiert sein, denn der Träger war mit Schaumstoffmatten entschärft worden.
    Unten führte ihn der IO einen engen Gang entlang nach vorn und öffnete nach kurzem Anklopfen die Tür zu elfhasieben. Die Kammer war mit Jungs Seesäcken und Kampftaschen zugestellt. Es war bedrückend eng, sein Mitbewohner aber nicht da.
    »Ihr Kammerkamel ist ausgeflogen. Gut für Sie. Da können Sie sich gemütlich einrichten«, bemerkte der IO. »Sie haben Glück. Der Oberstaber hat dafür gesorgt, dass Ihre Koje schon gebaut ist. Wie ich sehe, haben Sie die untere.«
    Jung sah gar nichts außer der bedrückenden Enge.
    »Morgen nach dem Frühstück kommen Sie erst mal zu mir. Den Gang entlang ein paar Schritte nach vorn auf der rechten Seite schräg gegenüber vom OBR.« Jung hätte aufjaulen mögen wie ein geprügelter Hund. »Danach gehen wir zusammen zum Briefing, okay? Also, nochmals herzlich willkommen an Bord und gute Nacht.«
    Jung blieb allein zurück und begutachtete seine Koje. Er breitete eine Wolldecke, die er in einem Gepäcknetz über dem Fußende entdeckt hatte und die aussah wie eine Pferdedecke, über das weiße Bettzeug aus und legte sich so, wie er war, darauf. Seine rechte Wade pochte, aber er fühlte sich unendlich erleichtert. Aus unsichtbaren Schächten rauschte Kühle in die Kammer.

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