Kielwasser
Jung war die Frage peinlich und er schaute den IO entschuldigend an.
»Einem Laien nehm ich die Frage nicht übel«, erwiderte der IO verächtlich. »Meine Männer müssen jeden Winkel kennen. Schon allein aus Sicherheitsgründen. Stellen Sie sich mal vor, wir haben einen Wassereinbruch oder Feuer im Schiff. Wenn wir da nicht auch den hintersten Winkel des Speigatts kennen, bekomme ich unweigerlich Probleme.«
Jung sah Schumann an. Der hielt die Augen gesenkt und äußerte sich nicht. Jung ließ es dabei bewenden.
»Ich traf in der Mittagspause den Kommandanten. Er teilte mir mit, dass ich die Personalakte des KaFüs beim Kommandeur MLBE einsehen könne. Wie können wir das arrangieren?«
»Wir machen erst in zwei Wochen wieder in Dschibuti fest. Wenn es vorher sein muss, fliegt Sie der Heli dahin. Wenn ich mich recht erinnere, ist der in den nächsten Tagen sowieso dahin befohlen. Sie können mitfliegen.«
»Das würde ich gern machen. Kann der Oberstaber mit?«
»Selbstverständlich, kein Problem. Ich lasse Sie auf die Pax 20 -Liste setzen.«
»Geben Sie Fregattenkapitän Jungmann Bescheid?«
»Ich schick ihm ein Fernschreiben. Sie kennen ihn?«
Jung verfluchte seine Unbedachtheit, die ihn schon das zweite Mal in Erklärungsnot brachte. Er ignorierte die Frage des IO einfach und fuhr ungerührt fort. »Ich habe Sie das schon einmal gefragt: Was denken Sie über das Verschwinden des KaFüs? Er muss doch irgendwo abgeblieben sein.«
»Mensch, Sie bringen mich zur Verzweiflung. Ich weiß es nicht. Ich habe keine Idee. Dafür sind Sie doch jetzt da.« Der IO war lauter geworden. Seine Erregung wirkte echt.
»Sie haben recht. Entschuldigen Sie. Schumi, fällt dir noch etwas ein?«, wandte sich Jung an seinen Begleiter.
»Im Moment nicht, Herr Oberleutnant. Nein, ich habe keine Punkte mehr.«
»Gut, dann vielen Dank für Ihre Hilfe, Herr Kap’tän.«
»Wir sehen uns spätestens beim Abendbrot. Ich würde es schätzen, wenn wir bald mehr wüssten«, beendete der IO das Gespräch.
*
Jung und Schumann traten auf den Gang hinaus. Schumi hatte sich ›aus der Kammer‹ gemeldet. Jung konnte sich daran nicht gewöhnen.
»Schumi, ich habe Durst. Wie wär’s mit Kaffee?«
»Zu Befehl, Herr Oberleutnant. Darf ich dich in die PUO 21 -Messe einladen?«
»Gern. Wo ist die?«
Sie stiegen runter in das Z-Deck und gingen den Gang nach achtern in Richtung Revier. Schräg gegenüber der Krankenstation las Jung über einer Tür die Aufschrift PUO-Messe. Schumi öffnete und sie traten ein.
Der Unterschied zur O-Messe stach deutlich ins Auge, obwohl die Grundausstattung, Holztäfelung und Bestuhlung die gleiche war. Jung hatte den Eindruck, das Vereinsheim eines Fußballklubs zu betreten: überall Pokale, Plaketten, Urkunden, Wappen, Wimpel, Seemannsknoten, gerahmte Fotos und selbstverständlich ein stattlicher Tresen mit Zapfanlage, Kühlschränken, Spüle und Spirituosenschrank. An den Wänden hingen kardanisch aufgehängte, elektrisch angetriebene Petroleumlampen. Der Raum wirkte urgemütlich.
Sie ließen sich auf die Barhocker vor dem Tresen fallen. Schumi grüßte ein paar Bootsleute, die an den langen Tischen hockten und aus Bechern Kaffee tranken. Jung grüßte sie ebenfalls mit einem kurzen Kopfnicken.
»Ich habe einen Gast mitgebracht. Mach uns bitte zwei Kaffees«, wandte Schumi sich an die Ordonnanz hinter dem Tresen.
»Ist das dein Boss, Oberstaber?«, rief ihm ein junger Bootsmann von einem der langen Tische zu. Er ließ einen aufsässigen Unterton hören.
»Bootsmann, dies ist mein Gast. Ich möchte, dass er sich bei uns wohlfühlt. Hast du das verstanden?«
»Alles klar, Oberstaber.« Er nahm seinen Becher und trank. Jung ignorierte das Geplänkel. »Schumi, was hältst du von dem, was wir bisher gehört haben?«
»Der Mann war nicht dumm«, antwortete Schumann leise. »Er war ein guter KaFü. Er war ein guter Seemann. Warum hätte er sich umbringen sollen? Wer anders hätte ein Interesse daran haben können, ihn umzulegen? Die Chance, das unentdeckt zu tun, war schlecht bis unmöglich, das hat der IO aus meiner Sicht richtig dargestellt. Das ergibt so keinen Sinn. Dahinter steckt irgendwas anderes.«
»Und was?«
»Weiß der Henker.« Ihr Kaffee wurde serviert und sie tranken einen ersten Schluck. Er schmeckte ausgezeichnet.
»Ist ein Offizier da, schon wird getuschelt. Soll euch wohl keiner in die Karten gucken, was?«, ließ sich der Bootsmann erneut vernehmen.
»Bootsmann, wenn du
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