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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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Steuerbordnock einen Sichtkontakt am Horizont, zwei Dez steuerbord voraus. Die übrigen Wachgänger schwenkten ihre Gläser in die gemeldete Richtung.
    »Beide Maschinen voraus fünf Knoten.«
    »Beide Maschinen voraus fünf Knoten. Beide Maschinen liegen voraus fünf Knoten.«
    »Ja.«
    »Sieht merkwürdig aus. Wie tot. Ist noch zu weit weg. Vielleicht eine Dau. Wir müssen näher ran.«
    »Sollten wir nicht vorher den Kommandanten informieren?«, schaltete sich der NO ein.
    »Okay. Ist sicherer. Nav-Meister, nehmen Sie den Kommandanten wahr.« Der WO griff zum Telefon. Er meldete dem Kommandanten den Fremdkontakt und bat ihn auf die Brücke.
    Jung zog sich in das Nav-Chap zurück und stellte sich unauffällig hinter die Gasten vor die Borde an der Rückwand, die von Seehandbüchern, Dienstvorschriften und Logbüchern überquollen.
    »Kein Checker, der Kleine«, ließ sich einer von ihnen vernehmen.
    »War lange nicht beim Waldapotheker, scheint mir.« Der zweite verfolgte den Lichtpunkt der Schiffsbewegung auf der Seekarte. »Glaubst du, der WO ist so ’n Honk?«
    »Weiß nicht. Kommt mir ziemlich verrafft vor.«
    Jung hörte ihnen unfreiwillig zu, verstand aber gar nicht, wovon die Rede war. Er nahm sich vor, Langenscheidts Werk ›Hä?? Jugendsprache‹ zu studieren. Seine Tochter hatte es ihm empfohlen, als er sie mit seiner Unwissenheit mal wieder genervt hatte.
    »Brücke Achtung. Kommandant auf die Brücke«, meldete der Nav-Meister. Das Brückenpersonal nahm Haltung an, und der WO grüßte.
    »Brücke mit drei, zu eins, zu sieben auf Station. Kurs: null neun null. Fahrt: fünf Knoten. Unbekanntes Objekt zwei Dez steuerbord voraus, Entfernung zehn Meilen«, meldete er dem Kommandanten.
    »Danke, weitermachen.«
    Der Kommandant setzte sich in den erhöhten Drehsessel an der Steuerbordseite der Brücke, nahm das Glas vor sich auf und blickte in Richtung des unbekannten Objektes. »Wir sehen uns den näher an. Haben Sie ihn auf Kanal 16 schon gerufen?«
    »Ja, Herr Kap’tän. Negativ.«
    »Halten Sie auf anderthalb Meilen steuerbord quer ab von ihm. Dann stoppen Sie auf. Benachrichtigen Sie den Decksmeister und den Abschnitt fünf. Das Speedboot, das Boardingteam und ein Heli sollen sich bereit machen. Bis zum Ablaufpunkt keinen Alarm.«
    »Verstanden, Herr Kap’tän.« Der WO wendete sich dem Radarscope zu.
    »Navigation?«
    »Navigation hört.«
    »Kurs- und Fahrtempfehlung für Zielobjekt eine Meile steuerbord quer ab in 20 Minuten. Gegenwärtige Peilung: eins eins null. Entfernung: zehn Meilen.«
    »Navigation verstanden: Zielobjekt in 20 Minuten eine Meile steuerbord quer ab.«
    Auf der Brücke kam jetzt Bewegung auf. Die Nav-Gasten standen über die Seekarte gebeugt und hantierten mit Stechzirkel und Bleistift. Telefonhörer wurden aufgenommen, die Gummibärentüte auf der Fernmeldekonsole verschwand in der Schublade, Kaffeebecher wurden in die Pantry getragen und die Schotten zu den Brückennocken geschlossen. Jung fühlte sich überflüssig und im Weg. Er verließ die Brücke.
     

Der Kommandeur I
    Sie landeten auf der leeren Platte vor der Flughalle des Airports Dschibuti. Jenseits der Runway erkannten sie den Schutzwall und die Wachtürme des amerikanischen Militärcamps. Der Pilot schaltete die Turbine ab und der Flugbegleiter öffnete die Tür. Es war Spätherbst. Dennoch traf sie die Hitze wie ein Schlag. Sie verließen den Helikopter und sahen ein Fahrzeug auf sich zu rollen. Jungmann hatte ihnen einen Wagen, einen geländegängigen Toyota, entgegengeschickt. Zum Glück mit Klimaanlage, wie sie später erleichtert feststellten.
    Ein Bootsmann begrüßte sie militärisch korrekt. Er war untersetzt und stämmig, sein Gang fest und wichtig, seine Frisur kurz und knapp. Sein Gesichtsausdruck zeigte eine Entschlossenheit, die keine Zweifel kennt und Gerede verabscheut. Er steuerte den Wagen, als wenn er einen Ritus zelebrierte: aufrecht, gerade, allwissend und immer den Verkehr im Auge, den er unentwegt kommentierte und kritisierte.
    Die fleischigen Hände seiner haarlosen Unterarme ruhten fest auf dem Steuerrad. In den Kurven presste er seinen linken Handteller auf das Lenkrad und kurbelte den Wagen in die gewünschte Richtung. Die rechte Hand ruhte derweil lässig auf dem Oberschenkel. Wenn er den Blinker setzte, spreizte er den kleinen Finger ab wie eine vornehme ältere Dame beim Fünfuhrtee. Seinen linken Zeigefinger schmückte ein Ring, der Jung an den Nasenring eines Bullen erinnerte. Die

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