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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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breitzutreten.«
    »Ja, richtig. Gehört auch nicht dazu. Also erzählen Sie.«
    »Die Bordgemeinschaft zerbröselt. Die Soldaten sind verunsichert, fühlen sich alleingelassen. Nur ihr Computer scheint ihnen zu helfen. Sie hocken auf der Kammer, glotzen gebannt auf den Monitor, Earphones verstopfen ihre Ohren, sie sind gar nicht mehr da, nicht ansprechbar. Es ist wie eine Sucht.«
    »Missbrauch? Man kann alles missbrauchen, auch Kameradschaft.«
    »Klar, natürlich. Aber irgendwie ist es anders als früher, gefährlicher, bedrohlicher.«
    »Man kann das auch ganz anders sehen: Mit Ihren Computerkranken können keine Kriege geführt, geschweige denn gewonnen werden.«
    »Amerika beweist das Gegenteil, oder?«
    »Stimmt auch wieder, aber nur der erste Teil. Lassen wir das. Und Sie als Gottesmann, was machen Sie nun? Entschuldigen Sie meine Unverblümtheit.«
    »Gar nichts. Ich bin da. Zu mir kommen immer mehr, die sich früher nie an mich gewandt hätten. Insofern hat die Entwicklung auch eine gute Seite.«
    »Sie meinen eine, die Ihnen gefällt.«
    »Die mir gefällt, ja.«
    »Noch ein Glas Rotwein?«
    »Diesmal auf meine Rechnung. Haben Sie schon Ihren Einstand gegeben?« Der Pfarrer bestellte den Wein und maß Jung fragend.
    »Wo mach ich das?«, fragte Jung zurück.
    »Da drüben, hinter dem Tresen, hängt eine Liste aus. Da tragen Sie sich einfach ein.« Der Pfarrer zeigte auf ein weißes Blatt Papier an der Wand.
    Jung trat hinter den Tresen und trug sich unter der Nummer 21 für ein Fass Bier in die Liste ein. In der Sparte ›Grund‹ las er fünfmal: deswegen; sechsmal: Geburtstag; dreimal: verlorene Wette; dreimal: new baby on board; zweimal: Ausstand; einmal: Beförderung; einmal: Einstand – er selbst.
    »Bei zwei Bier pro Tag reicht das Bier bis nächstes Ostern. Wenn ich noch die Nichttrinker dazurechne, bis zum nächsten Weihnachtsfest«, spöttelte Jung.
    »Eher bis zum diesjährigen Osterfest. Sie vergessen die Leute von der Presse, den Medien, den Landkommandos, den Botschaften, den befreundeten Schiffen und so weiter«, gab der Gottesmann zu bedenken. »Sie lieben deutsches Bier über alles, jedenfalls drängt sich einem dieser Verdacht auf. Wenn das Schiff am Pier liegt, kommen sie an Bord und haben gewöhnlich großen Durst.«
    »Ah ja, das vergaß ich«, schmunzelte Jung. Er unterhielt sich gut, wurde aber langsam müde. Wenig später zog er sich in seine Kammer zurück und verkroch sich in seine Koje.

Der Wachoffizier
    Jung stieg den Niedergang hinauf zur Brücke. Das Schott zur Schleuse davor ließ sich nur schwer öffnen. Der künstlich erzeugte Überdruck im Schiffsinneren drückte auf das Schott. Ein zischendes, lautes Pfeifen begleitete das Öffnen und Schließen. Jung fragte sich, wie es um die Ruhe des Kommandanten und des Admirals bestellt sein musste, die gleich hinter der Brücke, nur ein halbes Deck tiefer, ihre Kammern hatten. Vielleicht tröstete sie der Blick auf das Meer, ein Luxus, den nur sie genießen konnten. Sonst gab es keine weiteren Bullaugen auf dem Schiff.
    Im Vorraum war eine schmale Pantry eingerüstet. Es roch nach frisch gebrühtem Kaffee. In den Borden standen Becher mit bunten Logos und Aufdrucken: Facing the future; IO; Snoopy was here; Ohne dich ist alles Scheiße; I just call to say, I love you; Thank you for your Arschtritt. Jung fand den eigenartigen Humor sympathisch.
    Auf der Brücke herrschte gespannte Aufmerksamkeit. Jung betrat den großzügigsten Raum, den er bis jetzt auf dem Schiff kennengelernt hatte. Auch die große Zahl der Wachgänger änderte daran nichts. Er zählte neben dem Wachoffizier 22 sieben weitere Soldaten. Auf den Nocken standen noch einmal zwei Ausgucke. Am Kartentisch, im Hintergrund der Brücke, unterhielt sich der MET leise mit dem NO 23 . Zwei Nav-Gasten 24 beugten sich über den beleuchteten Kartentisch und griffen Distanzen mit dem Stechzirkel ab. Ansonsten war es still. Der WO lehnte an der Steuerkonsole und sah konzentriert durch sein Glas nach Backbordseite.
    Jung hatte das Gefühl zu stören. Er wollte schon kehrtmachen und die Brücke verlassen, als der WO, ein junger Oberleutnant, das Glas absetzte und zu Jung hinüberschaute. »Ruhig heute. Letzter COI 25 war vorgestern. Waren Sie schon mal hier oben?« Er klemmte das Glas zwischen den Handlauf und die große Frontscheibe des Brückenhauses. »Wenn Sie wollen, gibt Ihnen der Nav-Meister ein Briefing.«
    »Danke. Ich will die Wache nicht stören«, erwiderte Jung.
    Der WO

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