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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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Monaten ausgetauscht. Natürlich nicht geschlossen, sondern häppchenweise.«
    »Das spricht alles nicht für Selbstmordabsichten. Was meinen Sie?« Jung betrachtete sein Gegenüber aufmerksam.
    »Genau. Deswegen sind Sie hier. Sie können Dinge in Erfahrung bringen, an die ich nicht rankomme. Man kennt mich. Sie und den Oberstaber kennt man nicht. Ihre Aufgabe ist undurchsichtig: ein Vorteil, den Ihr Kollege vor Ihnen nicht hatte.«
    »Mal zu etwas anderem«, unterbrach ihn Jung. »Die Verlobte: Haben Sie mit der gesprochen?«
    »Nein. Aber es muss schon länger zwischen den beiden aus gewesen sein. Der A 1 im Flottenkommando teilte mir das mit. Er hat sie vom Verschwinden ihres Ex-Verlobten unterrichtet.«
    »Richtig, ich weiß davon. War bekannt, dass der KaFü verlobt war?«
    »Nein. Das ist nie thematisiert worden, soweit ich weiß. Bei anderen bekomme ich schon mit, wenn sie zu Hause dringend gebraucht werden oder ernstere Probleme haben. Wir organisieren eine Familienheimfahrt oder einen Sonderurlaub. Sie werden dann nach Deutschland ausgeflogen.«
    Es trat wieder eine längere Pause ein. Schumann hatte bis jetzt noch kein Wort von sich gegeben. Als Jung ihn ansah, machte er nicht den Eindruck, als wolle er daran etwas ändern. Jung fielen keine weiteren Fragen ein. »Wie lange soll das denn hier unten noch so weitergehen?«, fragte er schließlich. Sein Tonfall verriet, dass die Frage das Ende ihrer Unterhaltung einläutete.
    »Das wissen die Götter. Das Parlament bestimmt darüber. Wenn die wollen, lassen sie uns für immer hier.«
    »Schöne Aussichten sind das. Aber das Geld wird es schon richten.« Jung setzte sich auf und nahm die Akte in die Hand.
    »Schumi, du hattest vor dem Mittagessen noch eine Frage«, sprach Jung ihn direkt an.
    Schumann fuhr auf, als hätte er ihn aus tiefschürfenden Gedankengängen gerissen. »Hat sich erledigt, Herr Oberleutnant. Danke. Ich habe erst einmal keine Fragen mehr.«
    »Also graben Sie etwas aus, was die Sache klarer macht, Herr Oberleutnant.« Jungmann lächelte leicht amüsiert und sah an Jungs Uniform hinunter. »Wir sehen uns spätestens zum Abendessen. Wenn Sie mich brauchen, ich bin hier. Oder der WO weiß, wo ich bin.«
    »Danke, bis nachher«, verabschiedeten sie sich.
    Sie verließen die Kammer. Schumann spulte seine Meldungen ab wie ein Aufziehvogel. Jung konnte sich einfach nicht daran gewöhnen. Je öfter er es hörte, desto unpassender erschien es ihm.
    »Nachher würde ich mich gern mit dir besprechen, geht das?«, wollte Jung wissen.
    »Lass mich ausrufen, wenn du soweit bist. Ich bleibe an Bord.«
    Schumann verschwand im Treppenhaus nach unten. Jung ging die paar Schritte in seine Kammer, schloss die Tür und legte sich auf die Koje, die Akte auf der Brust und die Augen geschlossen. Er verharrte nicht lange so. Dann begann er zu lesen. Nach der Lektüre fragte er sich, ob er das richtige Dokument gelesen hatte. Der vorläufige Abschluss der Karriere des KaFüs passte einfach nicht dazu.
     
    *
    Holger Grenz wurde in der DDR geboren und hatte im Wendejahr dort noch Abitur gemacht. Seine Eltern waren Betriebsingenieure. Beide waren bei einem Betriebsunfall in den Leunawerken ums Leben gekommen, als ihr Sohn zehn Jahre alt war. Geschwister hatte er nicht. Er wuchs danach in Berlin bei seiner Tante auf, der einzigen Verwandten, die er noch hatte. Die FDJ 28 wurde zu seiner zweiten Familie. Er engagierte sich und übernahm Führungsaufgaben.
    Nach der Wiedervereinigung starb auch seine Tante und er bewarb sich um eine Einstellung bei der Marine. Er wurde getestet und für geeignet befunden. Er durchlief die übliche Ausbildung. Seine Beurteilungen waren immer hervorragend, wobei seine sportlichen Leistungen von seinen Ausbildern besonders hervorgehoben wurden. Holger Grenz wurde zum Unteroffizier ausgebildet. Danach bewarb er sich als Berufssoldat und wurde angenommen. Bis zu seinem letzten Kommando hat er die unterschiedlichsten Funktionen an Land und an Bord erfüllt. Seine Vorgesetzten stellten ihm ausnahmslos beste Zeugnisse aus und ließen ihn nur ungern gehen. So wurde er regelmäßig und bis zum Hauptbootsmann befördert. Bis zu seinem Verschwinden war er mit mehreren Bestpreisen ausgezeichnet worden. Ihm wurden drei Einsatzmedaillen verliehen.
    Das Ganze klang traurig. Aber in der Akte gab es weder einen Hinweis noch eine Andeutung darauf, dass Holger Grenz’ Leben davon belastet gewesen war, jedenfalls nicht so belastet, dass es seinen

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